Die neue Schule. Oder: Alles so harmonisch hier.

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Heute war der 1. Schultag. Ich bin froh, dass wir eine Schule haben, in der alle nett zueinander sind und keiner Diskussionen anzettelt, denen am Ende nur noch drei Eltern folgen können.

Auch wenn das jetzt ein bisschen unvoreingenommen und naiv klingt. Aber ich rede nicht von Meinungsverschiedenheiten, die es immer geben wird. Ich rede davon, dass es an unserer Schule überhaupt nichts Besonderes gibt und sich daher auch keiner wie etwas Besonderes fühlt.

In der Stadt ist es so: Da hat man von der Schule im eigenen Bezirk nur Negatives gehört. Da mobben anscheinend Schüler andere Schüler, da sind die Lehrer nicht nett, es gibt eine doofe Pausenregelung. Die andere Schule drei Bezirke weiter winkt hingegen mit Versprechen wie: lange Öffnungzeiten, Mitschüler aus besserem Hause, jüngeres Lehrpersonal. Was Negatives an der entfernten Schule? Gibt es nicht, kann es nicht geben, sonst hätte man ja davon gehört.

Und dann wird das Kind in der entfernten Schule, die gerade noch das Paradies auf Erden versprochen hat, von anderen gemobbt. Oder kommt in einem der Fächer nicht mehr mit. Ist überreizt und schlecht gelaunt, weil es wegen dem weiten Weg eine Stunde früher aufstehen muss.

Aber das ist ja nicht der Kern des Problems. Sollen andere Eltern ihre Kinder in besondere Schulen schicken, geht mich ja nichts an. Das Problem ist: Die besonderen Eltern sitzen mit ihren übersteigerten Erwartungen mit mir im Elternabend. Und das frisst an der Stimmung. Man will möglichst schnell wieder gehen. Und am liebsten niemanden kennenlernen.

Welche Diskussionen allein im Kindergarten geführt wurden, wo die Kinder von 7 bis 17 Uhr rundum voll und ohne notwendigen Zusatzbuchungen, ohne Lücken im Personal, und ausschließlich gemeinsam mit anderen lieben Akademikerkindern aus demselben Stadtteil betreut wurden!

Die zwei Dauerbrenner waren: Das Essen. „Mein Kind bekommt davon Bauchweh. Können wir einen veganen Caterer bestellen?“

Und: Die Ferienzeiten. „Meine Kinder sind in 3 verschiedenen Einrichtungen und alle schließen zu einem anderen Zeitpunkt. Ich kann nicht 3 Kinder 6 Wochen lang zu Hause betreuen, also möchte ich, dass diese 3 Einrichtungen im Sommer alle gleichzeitig schließen.“

Ich bin ein toleranter Mensch. Mir tut sofort das Kind leid, das immer Bauchweh hat. Und ich kann mir vorstellen, dass es in vielen Berufen schlichtweg nicht möglich ist, lange Urlaubszeiten zu nehmen oder die Zeit, in der man nicht anwesend sein kann, mit Überstunden oder mit Homeoffice zu überbrücken.

Sprich: Ich verstehe diese Probleme. Und ich weiß darauf erstmal auch keine Lösung. Und ich bin auch nicht eine, die sagt, Probleme dürfen nicht diskutiert werden. Sie müssen. Aber: Warum gibt es diese Probleme nur in der Stadt?

Fakt ist: Auf dem Land gibt es diese Probleme genauso. Aber sie werden nicht an Elternabenden und danach in E-Mail-Endlosschleifen diskutiert. Ein Kind, das oft Bauchweh hat? Geht dann jeden Tag eben nur bis 12 zur Kita und danach zur Oma. Die Öffnungszeiten sind zu kurz, die Schließzeiten zu lang? Kein Problem, das Kind kann ja mal zu den Nachbarn.

Aber zurück zu unserer Schule.

Keiner der Eltern hat sich diese Schule ausgesucht. Die Schule hat nicht mal eine Homepage. Sie steht da wo sie steht und schon immer stand. Zwischen einem Garten, in dem Hühner herumpicken und einem riesigen Fußballplatz, der bis zum Horizont reicht. Die Kinder aus drei Dörfern (und einem Kinderheim) werden dieser Schule zugewiesen.

Die Eltern der 1. Klasse haben im Großen und Ganzen nur eine Sorge: dass der Bus, der die Kinder aus dem entlegensten Dorf aufsammelt, sich auch an den Stundenplan der Erstklässler hält. Das klappt zwar nicht immer – an zwei Tagen kommt der Bus nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erstklässler Schule haben – aber eine Entscheidung findet sich trotzdem schnell:

Die einen bilden Fahrgemeinschaften und fahren die Kinder zur 2. Stunde in die Schule. Die anderen entscheiden sich, zwei Stunden pro Woche für 8 Euro „hinzuzubuchen“. Das heißt, während die einen Kinder sich noch einmal im Bett herumdrehen können, sitzen die anderen schon in der Schule und spielen oder basteln was.

Es geht dabei wohlgemerkt nicht um Randbetreuungszeiten vor 8 Uhr oder nach 13 Uhr oder so. Es geht darum, dass zweimal die Woche die erste Stunde ausfällt.

Und da gibt genau nur ZWEI Familien von 17, die es sich nicht leisten können, dass ihr Kind zweimal die Woche später Schule hat (und/oder dann auch noch gefahren werden muss). Das ist eine Alleinerziehende und ein Doppelverdienerelternpaar. Alle anderen können ihr Kind jederzeit hinbringen und abholen, oder sich durch die Großmutter oder eben die hilfsbereiten Nachbarn vertreten lassen.

Diese zwei Familien hauen nun aber nicht auf den Putz (wie es in der Stadt passiert wäre), sondern sie füllen ein Blatt Papier aus, mit dem sie eine Betreuungsperson beantragen, die zweimal in der Woche ihre Kinder für 8 Euro betreut.

Jetzt gibt es da zwar ein weiteres Problem: Bei nur zwei Kindern stellt die Gemeinde kein Betreuungspersonal. Es müssen drei Kinder Minimum angemeldet werden. Aber auch das Problem ist schnell im Griff: Es melden sich einfach zwei weitere an. Aus Solidarität mit den zwei Familien, die es nötig haben. Und auch, weil man das Angebot vielleicht selbst mal testen will. Und weil 8 Euro pro Woche ja nicht die Welt ist.

Danach werden die zwei Elternsprecherinnen, die sich zur Wahl gestellt haben, einstimmig zu solchen gewählt und alle gehen gut gelaunt was trinken.

Prost!

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