Es ist Samstagvormittag. Irgendwas vor 9 Uhr. Die Eltern kommen aus ihrer Schlafhöhle gekrochen, in der es so ruhig und dunkel war. Das Licht ist hell wie ein Schlag ins Gesicht. Noch im Schlafanzug müssen Dinge aufgehoben, aus- und angezogen, ein- und ausgeräumt, hin- und hergetragen werden.
Plötzlich steht Tochter, 6 vor mir und klappt eine schmale Pappschachtel auf, die Größe und Deckel ähnlich einer Laptoptasche hat. Zwischen allen möglichen Papieren zieht sie einen Notizzettel hervor und sagt beiläufig: „Kannst du hier mal eben unterschreiben? Vorname reicht…“ Na gut, das mache ich auch noch schnell. Dann Windeln, Kaffee, Brötchen, Lätzchen…
Später beim Zähneputzen.
„Mama, ich habe da so ein Vetragsbuch angelegt.“
„Hm.“
„Du bist auch dabei.“
„Ahja?“
„Ich schreib eine Geschichte über dich und jeder Satz kostet 1 Cent.“
„HALT! Was?“ Ich spucke die Zahnpasta aus. Der Groschen fällt bei mir nicht. „Ich überleg mir das nochmal. Kostet schließlich was.“
„Du hast das schon unterschrieben.“
Das sagt sie. Wie nebenbei. Die geborene Versicherungsverkäuferin, denke ich. Jetzt ist es mir natürlich wieder eingefallen: ja, ich hab da mal was unterschrieben. Irgendwann. Irgendwas. Und jetzt werde ich zur Kasse gebeten? Das hätte ich mir doch denken können.
„Okee, okee. Was hab ich da unterschrieben? Was bekomme ich jetzt dafür?“ Ich gebe mich geschlagen. Unterschriften kann man schließlich nicht zurückziehen. Hätte ich halt nicht unterschreiben dürfen.
„Sagte ich doch. Ich schreibe eure Geschichte. Jeder Satz ein Cent. Für 20 Cent bekommst du 20 Sätze. Für 1 Euro 100 Sätze. Papa genauso.“
„Achso. Das klingt interessant. Dann bekommst du mal 20 Cent von mir. Hier.“
Das Kind nimmt das Geld, steckt es geübt ein und sagt ungerührt: „Ein Cent mehr und du wirst die Hauptfigur in der Geschichte.“
Das ist das erste Mal, dass ich denke, die wird mal Texterin, Ghostwriterin, Biografin, sowas. Aber: nicht ohne vorher das Budget knallhart zu verhandeln! Da wäre es ja geradezu dumm von mir, wenn ich das nicht schon im zarten Alter unterstützte, und rücke noch einen Cent mehr raus.
21 Cent zahlt auch der Papa und dann geht es an die Arbeit.
Nach einer Woche steht immerhin schon ein Titelblatt. Darauf ist ein Schloss zu sehen, mit Gold verziert. Aus den Fenstern schauen Figuren raus, eine ist die Königin. Das bin ich – ich habe für diese Ehre schließlich auch draufgezahlt. Bei der Entstehung des Titelblatts hat die Tochter all ihr Gold verwendet und murrt nun, dass es alle ist. Jetzt muss ihre zahlungskräftigste Kundin erstmal einen neuen Goldstift kaufen. Wenn es wieder Gold gibt, steht der Durchführung der Arbeit aber nichts mehr im Wege.
Später habe ich gesagt: „Ich finde deine Idee toll. Das mit dem Vertrag und 20 Sätzen für jeden. Wie bist du da drauf gekommen?“ Ich denke an Stadtschreiber, Verfasser von Chroniken, Familienbiografen, all das.
„Das ist doch klar. Ich brauch Geld, und da ist mir eben sowas eingefallen.“
Was frag ich auch so blöd.