Coronatagebuch Tag #7

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Auch die Kindergartenkinder bekommen Arbeitsblätter. #homeschooling

Erkenntnisse:

  • Das hier wird noch sehr lange dauern. Heute ist der siebte Tag, an dem ich mich mit den gesellschaftlichen Veränderungen dank COVID-19 beschäftige. Irgendwann wird Tag 70 sein.
  • Am dritten schulfreien Tag ist die Motivation der Kinder, sich selbst mit Dingen zu beschäftigen, hoch. Die große Tochter entwirft Arbeitsblätter für die Kleineren, damit sie auch was zu tun haben. Mit was werden sich die Kinder an Tag 70 beschäftigen? Lesen sie Sartre, spielen sie Chopin?
  • Mit den Sonnenstrahlen, den vielen Singvögeln, dem (bald) neuen Garten und der ganzen Familie zu Hause ist es schön. Sogar sehr.
  • Entweder man hat Freunde zu Besuch oder es ist sauber. Aktuell Letzteres

Freunde und Bekannte reagieren nach einer Woche Krisensituation unterschiedlich. Von beleidigt, weil man jetzt nicht mehr reisen kann, bis hin zur Sorge, dass Deutschland noch nicht genügend gegen das Virus tut, ist alles dabei.

Ich verbringe fast den ganzen Tag draußen. Die Straßen, Supermärkte und Arztpraxen sind extrem frequentiert. Sie werden noch auf lange Sicht die wenigen Orte bleiben, an denen man anderen Menschen unter die Augen treten darf.

Später auf Hochzeiten, wenn die Kennenlern-Geschichte des Paares die Runde macht: „Sie war die allererste, die er nach seiner Quarantäne zu Gesicht bekam. Sie stand vor ihm in der ALDI-Schlange. Er: Ich fand ihre blauen Latexhandschuhe sehr attraktiv. Sie: Ich erinnere mich noch an deinen Mundschutz. Du sahst sexy damit aus.“

Spielen im Wald, spielen im Nachbarhof

Die Kinder haben in letzter Zeit oft ferngesehen und dabei viel Fachwissen erworben. Wir laufen in den nahen Wald, wo das Vier- und das Fünfjährige zielsicher einen Holzhaufen für ein Lagerfeuer errichten. Das Feuer wird mit großer Kenntnis entzündet und am Laufen gehalten. Später jagen wir Wildschweine und braten sie über dem Feuer.

Wir nehmen den längeren Weg zurück. Die Kinder lieben die Treppen, die man aus dem Wald bergab laufen kann. Auf diese Weise landet man zielsicher auf dem Hof der Nachbarn, die ein Kind in unserem Kindergarten haben. Die Nachbarn kommen auch gerade von einem Ausflug zurück.

Ich bin unsicher, ob ich meine Nachbarn überhaupt besuchen darf? Wahrscheinlich nicht. Oder doch? Oder – doch nicht?! Vor einer Woche waren die Kinder noch zusammen in der Kita und haben sich alle Krankheiten zielsicher weitergereicht, inklusive Läuse. Die Läuse blieben zweieinhalb Monate lang. Jetzt sind die Kinder endlich mal alle gleichzeitig gesund – oder doch nicht?!

Ich nehme frisch geschnittenen Bärlauch von meiner Nachbarin entgegen und freue mich schon aufs Abendessen. „Wir müssen in den nächsten Tagen unbedingt mal wieder an den Fluss. Da wächst sooo viel“, schwärmt A.

Social Distancing: nur im Internet ganz einfach

Ihr Mann stellt sich neben uns: „Ab morgen sind Zusammenkünfte im öffentlichen Raum über 5 Personen untersagt“, referiert er die neuesten Nachrichten. Aktuell sind wir sechs Menschen in dem kleinen Hof. Aber der Hof ist ja kein öffentlicher Raum… ist der Weg am Fluss ein öffentlicher Raum? Ist der Wald ein öffentlicher Raum?

Wir laufen nach Hause. Vor unserem Haus steht ein blaues Fahrrad. Swapfiets. Unsere Studenten-WG hat Besuch. Das kommt nicht allzu oft vor. Darf man sich gegenseitig besuchen? So Freunde treffen, privat? Ja – oder? Aber nicht mehr als 50 gleichzeitig? Oder wie????

Ab morgen dürfen wir nicht mehr in Gruppen größer als 5 durch die Stadt laufen. Auch zwischen den Personen einer Gruppe muss ein Abstand von mindestens 1,5 Metern sein. Wir dürfen alle möglichen Geschäfte nicht mehr besuchen. Nicht einmal Infostände. Die Gastronomie muss die Bewirtschaftung komplett schließen. Essen darf man sich noch bestellen, muss aber in der Schlange ebenfalls 1,5 Meter Abstand zum Vorder- und Hintermann halten. Gerade interessiert mich das nicht wirklich. Ich muss ja sowieso kaum raus, also muss ich draußen auch nichts essen. Und ich spare Geld. Aber gerade um die vielen kleinen, besonderen Cafés ist mir angst und bange… die werden später nie wieder öffnen.

Eigentlich bin ich für viel Disziplin. #socialdistancing #flattenthecurve #wevsvirus #wirbleibenzuhause usw. Im Internet ist das auch alles ganz einfach. Im Real Life bleibt jeder Besuch, jeder Termin, egal in welchem Kontext, eine gedankliche Herausforderung, ob man jetzt wieder etwas falsch gemacht hat.

Wahrscheinlich hätte ich laut RKI nicht mal den Bärlauch annehmen dürfen.

Heute sind es 15.320 Infizierte in Deutschland, 115 sind wieder gesund, 44 sind gestorben.

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