Coronatagebuch Tag #61

Spielplätze in Zeiten von Corona

Der Junge mit der blauen Mütze sah den Spielplatz schon von weitem und rannte drauflos. Der Platz war nicht zu übersehen. Und auch nicht zu überhören. Laute Stimmen, Rufen, Lachen. Ein Pulk aus großen und kleinen Menschen, Fahrrädern, Dreirädern, Taschen und Eis am Stil. Der Junge stoppte abrupt, wandte sich zu seiner Mutter um und sagte ärgerlich: „So nah darf man gar nicht zusammenstehen!“ Auf den Spielplatz wollte er nicht mehr.

Zugfahren in Zeiten von Corona

Es sollte meine erste Zugfahrt sein und ich beschloss, dass ich einigermaßen annehmbar aussehen wollte. Daher probierte ich verschiedene Schals aus. Die Zeit wurde knapp, und ich entschied mich kurzerhand für einen dünnen schwarzen Schal mit Rosen darauf. Ein bisschen Pathos auf der ersten Zugfahrt musste sein, fand ich. Am Bahnsteig probierte ich verschiedene Knoten und Faltmöglichkeiten aus. Der Blick in meine Handykamera verriet, wie ich für jedermann aussah. Endlich fand ich mich unauffällig und bescheiden genug gekleidet und ließ das jetzt so. Im Zug, der früher um diese Uhrzeit voll gewesen wäre (was unternimmt die Regierung eigentlich zur Rettung der Bahn?) begegnete ich keinem Menschen, dem ich meine kunstvolle Gesichtsbekleidung hätte vorführen können. Darüber war ich, gelinde gesagt, enttäuscht. Man trägt den Schutz doch für andere. Wenn keiner da ist, macht das auch keinen Sinn.

Literatur in Zeiten von Corona

Die Literaturgruppe traf sich wie immer dienstagabends im Foyer des Theaters. Neu war, dass man die Sitzung als private Veranstaltung für maximal 5 Personen deklarieren musste, um sie offiziell abhalten zu dürfen. Neu war, dass die Theaterleute parallel nicht probten, weil sie Anfang Mai bereits in der Sommerpause waren. Neu war auch, dass die einander bekannten Gesichter sich seltsam weit voneinander entfernt platzieren und sich gegenseitig nicht zu umarmen trauten. Weitere Gesichter versuchte man über WLAN hinzuzuschalten, aber dann ließ man es wieder. Die vorgelesenen Texte kannten alle ein Thema: Corona. Als man sich verabschiedete, blieb das Bedürfnis zurück, wieder öfter aus dem Haus zu gehen.

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