Zwischendurch gab es mal die Überlegung, dass ein in jeder Hinsicht reduziertes Leben auf Dauer seinen Reiz hätte.
Weniger arbeiten, ein Grundeinkommen beziehen, die gewonnene Zeit in tägliche intensive Kinderbetreuung, Gartenarbeit und Kreativität stecken.
Weniger Menschen treffen, dafür sich selbst besser kennenlernen.
Vor allem: weniger Produktion, weniger Konsum, weniger Reisen, weniger Umweltzerstörung.
Das Virus versprach eine schöne neue Welt.
Wenn nicht die Angst gewesen wäre (und noch immer ist). Alle möglichen Ängste sind zusammengekommen und bleiben auch nach den Lockerungen: die Angst vor Ansteckung und vor Hospitalisierung, die Angst vor der Einsamkeit und der Stigmatisierung, die Angst vor einer Überhandnahme der Exekutive, die Angst vor dem (auch ganz realen) Verlust der Arbeitsstelle, aber auch die Angst vor dem Wiedereinstieg am eigentlich ungeliebten Arbeitsplatz (wahlweise ersetzbar mit der Angst vor der Schule bzw. dem Kindergarten), die Angst davor, beim Einkaufen, im Bus, auf der Straße irgendetwas falsch zu machen (umkehren, wenn man beim Brötchenholen den Mundschutz zu Hause vergessen hat, in der Gegend herumstehende Personen anmaulen, sie sollen sich richtig anstellen oder eben beiseitetreten), die Angst, Personen in der Öffentlichkeit oder auch einfach nur im Beisein Dritter zu umarmen, es könnte mittlerweile sogar ein kultureller Faupax und sehr peinlich sein.
Bei Angst klopft das Herz.
Hundert Tage Lockdown, heißt konkret: 100 Tage schul- und kindergartenfrei, wenn auch die Schule in Teilen wieder angefangen hat. In den nächsten Tagen gehen auch die letzten verbliebenen Jahrgänge wieder in die Schule. Bislang nur für zwei bis vier Stunden am Tag. Auch die Kindergärten öffnen bald wieder komplett und ohne Abstandsgebote zwischen den Kindern (Zusage von Land und Stadt kamen vor ein paar Tagen).
Hundert Tage Lockdown, das hieß für unsere Kinder: sie hatten die Zeit ihres Lebens. Zumindest wenn man die Zeit und die Anstrengung, die wir die letzten drei Monate in ihr Wohlergehen investierten, dafür als Maßstab nehmen kann. Nicht mehr früh aufstehen. Viele Spaziergänge und Wald-Abenteuer. Ein eigenes Beet anlegen und Erdbeeren, Stachelbeeren, Radieschen und Salat ernten. Feuer machen. Jeden Tag im Tipi oder im Schwimmbecken spielen, nach einiger Zeit dann auch die Freunde besuchen, sogar richtig lange und richtig oft besuchen. Und das alles sogar mitten unter der Woche.
Ich wünsche mir, dass meine Kinder ganz ohne Angst auf diese Zeit zurückblicken können. So, wie ich mit Tschernobyl 1986 keine wirklichen Ängste verbinde, eher etwas wie eine Zuschauer-Angst, ähnlich wie wenn man einen guten Gruselfilm sieht.
Da bin ich d’accord – auch im Hergang des 1/4 Jahres (1/3 ?). Auch bei Tchernobyl. Doch die rasende Wiederentwicklung in NRW lässtmich weider erschauern. Hat so was das Potenzial auf Durchgang2? Nun denn: hoffentlich grillen jetzt weniger „Fleisch“ und hypen das Grillen nicht mehr wie damals in der Steinzeit.
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Sehr toll geschrieben. Ich hab auch Angst vor ner Ansteckung und Krankenhaus. Heute sind unsere für die letzten zwei Wochen, wieder in die volle Klasse ( seit Anfang Mai immer ein Kind eine über die andere Woche)gegangen. Ich machte Luftsprünge ,NICHT😒. Ich mach 3 Kreuze wenn Sommerferien sind und wird ohne Ansteckung geschafft haben. Am Anfang machten wir noch Spaziergänge zusammen, seit längerer Zeit nur noch ich alleine,das vermiss ich schon. Bei uns bekommt man keine Brötchen ohne Mundschutz, sowie Sprit und einkaufen, dann müsste man sie holen gehn.
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