Coronatagebuch Tag #88

Arbeit in Zeiten von Corona

Fünf Minuten nach dem Frühstück klappe ich den Bildschirm hoch, setze die Kopfhörer auf und bin mitten auf der Arbeit. Beim Video-Interview schauen zwar ein paar Mal die Kinder rein und fragen, was sie anziehen sollen, aber das stört nun wirklich keinen. Verbrachte Zeit in einem Fahrzeug: 0, CO2-Ausstoß beim Weg zur Arbeit: 0.

Überzeugungen in Zeiten von Corona

Der Lockdown wird ausgeschlichen. Und auch wenn es absolut nicht sein muss, dass Klamottenläden, Schulen und Spielplätze jetzt wieder auf haben, es gibt auch ein paar positive Entwicklungen.

Unter einem Lindenbaum in einem Café eine Limo zu trinken ist ein Traum, den wir vor vier Wochen noch nicht zu träumen wagten.

Hauptsache draußen sein. Hauptsache viele sein. Hauptsache Alkohol. Das scheint so das Motto vieler Menschen gerade zu sein, aber ich habe auch nur eine Momentaufnahme gemacht.

Gleichzeitig nehmen die Demos zu. Aber auch mag nur nur eine Momentaufnahme sein. Aktuell und aus traurigem Anlass gegen Rassismus, gegen die amerikanische Politik bzw. gegen Polizeigewalt. Außerdem gegen Kohleenergie, Abwrackprämie und gegen Firmen und politische Entscheidungen, die das 1,5-Grad-Ziel nicht berücksichtigen. Für mehr Fahrradwege (Pop-up bike lanes). Gegen die Corona-Verordnungen im Speziellen und gegen eine Über-Regelemtierung im Allgemeinen. Überall laufen Linke und Rechte mit, die wahlweise zum „Polizisten klatschen“ aufrufen oder Kamerateams angreifen. Die mit lokalen, landes- oder bundesweiten Beschlüssen nicht einverstanden sind oder das ganze Land an sich ablehnen.

Haushalt in Zeiten von Corona

Der Haushalt wird zwar immer zäher und liegt immer mehr so rum. Theoretisch sind aber fünf Personen zwischen 4 und 41 Jahren täglich anwesend, sodass jeder einen Teil davon abarbeiten könnte. Praktisch sah heute so aus:

  • Mutter: räumt alles Lego und Playmobil auf und eliminiert dabei kiloweise Staub
  • Vater: plant die nächsten Renovierungs-Schritte am Telefon, wäscht ab, sägt Fußbodenleisten
  • Kind 3: spielt erst Bootfahren, verarztet dann eine Maus, hilft dann Playmobil entstauben und liegt dann „Hunger!“ maulend in der Ecke
  • Kind 2: liest erst alle Pixibücher durch, spielt dann Bootfahren, hilft dann Playmobil entstauben, räumt ein bisschen auf und malt dann etwas
  • Kind 1: macht liegengebliebene Hausaufgaben fertig, liest ein Buch über den Krieg in Syrien, kocht Nudeln, liest dann ein Was ist Was-Buch

Später am Nachmittag geht es weiter im Kirschen entsteinen und mit Fleisch grillen. Immerhin sind gerade Pfingsferien.

Was ist wichtiger im Leben. Arbeit, Überzeugungen durchsetzen, den Haushalt hinkriegen? Den größten Teil nimmt aktuell täglich der Haushalt ein, dazu zähle ich auch Fahrten zum Bauhaus, Renovierung, Gartenarbeit. Dass mir dieser Part des Lebens von seiner Bedeutung her leider sehr wenig wert erscheint, macht die Sache nicht besser.

Coronatagebuch Tag #50

Heute ist ein Feiertag.

An Feiertagen gehen die Leute ohne Masken auf die Straße. So viel weiß ich schon von den letzten Sonntagen. Das entspannt. Das tut gut zu wissen, dass da jetzt niemand mit Maske draußen rumläuft. Auch wenn man wegen Regen und Gewitter sowieso nicht raus will.

1. Mai: Demos gegen die Pandemie

In Berlin gab es trotz stark eingeschränkten Versammlungsverbots Demonstrationen. Masken aufsetzen und rausgehen – in Gruppen. Ja, tatsächlich. Linke bzw. autonome Gruppe bekamen diesmal Verstärkung von Pandemie-Ablehnern („Hygiene-Demo“), die mit den aktuellen Regulierungen der Regierung nicht einverstanden sind und mit vielem anderem auch nicht. Sie wollen, dass die Pandemie aufhört und behaupten daher, es gebe keine.

Abends dann in den Nachrichten: eine vermummte Gruppe hat ein ZDF-Kamerateam angegriffen und vier von sieben Personen krankenhausreif geprügelt.

Und: In Michigan stürmen Bewaffnete, aufgewiegelt vom US-Präsidenten, das Parlament. Sie wollen sofortige Lockerungen, angeblich wieder zur Arbeit oder einfach nur die Pandemie scheiße finden.

Wir bleiben zu Hause.

Heute lernt die große Tochter den Beat zu „Revolution“ auf dem Schlagzeug. Der Sohn baut die ISS nach. Die kleine Tochter bastelt ein Memory. Die Kinder sprudeln vor Energie. Vermutlich bekommt man das bei Regen eher mit, weil alles im Haus geschieht. Aber ich liebe es, dass wir drinnen bleiben dürfen. Nicht müssen. Aber dürfen. Für das tägliche Familienmanagement ist so eine Pandemie wirklich das beste. Jeder Tag läuft gleich ab. Um Aufgaben außerhalb des Hauses wahrzunehmen, müssen wir das Haus nicht verlassen, sondern nur den Bildschirm anmachen. Die Kinder bewegen sich ebenfalls in einem sehr kleinen Radius. Aber das schadet ihnen offenbar nicht.

Ab Montag haben die Spielplätze wieder offen.

Ich stelle mir die Spielplätze so gruselig vor, dass ich beschlossen habe, den Kindern diese gute Nachricht nicht zu verkünden.

Am Tor ein Wärter, der dieses nur öffnet, wenn eine Familie den Spielplatz wieder verlässt. Der jedem Eintretenden aus 1,50m Abstand die Hände mit einem Desinfektionsspray einsprüht. Eltern, die – mit Mundschutz und ganz ans Ende von Bänken gerückt sitzend – ihre Kinder zurechtweisen: „Maximilian! Da darf nur einer drauf!“ – „Emilia! In die Armbeuge!“ usw.

Vielleicht wird es auch eine App geben, über die man sich ein Zeitfenster auf dem Spielplatz reserviert. Montag, 11. Mai, 15:00 bis 15:30. Am Eingang wird dann der QR-Code eingescannt, der auf deinem Gerät gespeichert wurde. So wie es jetzt in China gemacht wird. Muss zugeben, da wäre ein implantierter Chip die einfachere Lösung.

Oder das hier: