At home im Januar

Wenn man ins Büro kommt, macht man sich auf dem Weg dorthin so seine Gedanken.

Wie werde ich heute performen. Gibt es Widerstände. Will Frau Zankapfel auch heute wieder mit jedem Streit. Will Herr Missverständnis mich wieder um jeden Preis missverstehen. Will der Drucker wieder das Papier nicht hergeben, der Postbote den Eingang nicht finden und muss das Fenster wieder auf Kipp stehen, obwohl ich dann so friere. Oder wird es ein schöner Tag, mit Sonne, Kuchen, schnellem WLAN, neuen Aufgaben und lächelnden Kollegen?

Damit vieles von dem Guten und weniges von dem Schlechten eintritt, legt man sich so seine Strategien zurecht. Frau Zankapfel wird man einfach aus dem Weg gehen, um minimale Angriffsfläche zu bieten. Herrn Missverständnis wird man zum Mittagessen einladen, um ein paar Themen jenseits der Verständnisfallen aufgreifen zu können. Den Kuchen kann man selbst noch auf dem Weg vom Bäcker mitbringen. Man könnte vielleicht sogar Frau Zankapfel ein Stück Kuchen…

Wenn man ins Homeoffice kommt

Wenn man ins Homeoffice kommt, ist der Weg dorthin ebenso von Gedanken begleitet. Werde ich es schaffen, das schimpfende Kind zum Anziehen zu bewegen, bevor die Videokonferenz beginnt? Wer aus der Belegschaft wird heute einkaufen, Geschirrspülen und die Wäsche aufhängen? Ganz sicher gibt es auch heute wieder Missverständnisse und weitergeschobene Aufgaben.

Und ebenso sicher schnappen wir uns wieder gegenseitig die Bandbreite weg, weil das hier eigentlich gar kein Büro und keine Schule ist und die Ausstattung nur für private Zwecke ausreicht. Wer zuerst drin ist, bekommt das beste Bild. Die anderen müssen nehmen, was übrigbleibt. Kann ich mich in einer Konferenzpause einfach hinlegen oder ist das ein schlechtes Vorbild für die anwesenden Homeschooler? Dürfen die in ihren Pausen eigentlich einfach Lego spielen? Was ist eigentlich aus der guten alten Leibesertüchtigung zwischen den zahlreichen Bildschirmzeiten geworden, da gab es doch mal was von ALBA BERLIN?

Der hohe Anspruch an meine Zeit im Homeoffice – Zeit für mich, meine Arbeit, meine Geräte und mein WLAN – ist an die Realität angepasst worden. In der Realität gleicht das Homeofficehomeschooling-Ding einem Großraumbüro mit angrenzendem Restaurantbetrieb mit integriertem Waschsalon und einem Kegelclub mit offenstehender Tür. Natürlich kommen die Kinder und wollen Ausmalbilder, wenn man gerade nicht abgelenkt werden will. Aber die Kollegen kommen ja auch immer dann, wenn es gerade nicht passt. Natürlich gibt es Fragen der Zuständigkeit bei der Sauberkeit und Versorgung, aber es fehlen ja auch Kaffeemaschine, Hausmeister und Putzfrau. Dafür kann ich mich nach dem Frühstück aufs Sofa setzen, einfach so. Oder die Mittagspause ausdehnen, ohne dass es jemanden interessiert. Natürlich häufen sich Fragen wie „Wo ist das Ladekabel“, „Ich brauch jetzt den Laptop mit Word drauf“ und „Ich weiß nicht wie das geht und ich will es auch nicht wissen“. Im Großen und Ganzen ist jede Anfrage der Belegschaft innerhalb von Minuten geklärt. Im Gegensatz zu so mancher Endlosschleife, die eine Frage im Büro produzieren kann.

Nach einer Woche Homeofficehomeschooling ist jedenfalls eine klar: Ich mag meine neuen Mitarbeiter. Sie wollen ab und zu etwas haben, aber sie haben keine unerfüllbaren Wünsche wie „jetzt rausgehen“ oder „anderes Spielzeug“ oder „unbedingt Leute treffen“. Im Gegenzug honorieren sie es, wenn wir sie nicht mit unpassenden Aufforderungen wie „geht jetzt eine Stunde an die frische Luft“ oder „putzt jetzt das Bad, während wir hier am Bildschirm hängen“ in ihrem Flow stören. Und damit es noch stärker flowt, gibt es jeden Tag Leibspeisen, Livestreams und andere Lustbarkeiten. Die Belegschaft muss ja mitziehen, damit sie nicht innerlich emigriert.

Jetzt ist Freitag. Feierabend. Die Kollegen wollen noch einen draufmachen. Das ist auch ok, denn wir müssen wir am Morgen nicht mehr so früh aufstehen. Das können sie gut, denn sie sind immer witzig, schlagfertig und für allen Scheiß zu haben. Ich werde sie vermissen, wenn die Schule wieder anfängt.

Meine Kinder stehen nicht im Lebenslauf

Kinder im Lebenslauf erwähnen, ja oder nein? Das fragt sich jede Frau, die ins Berufsleben starten will und schon Kinder hat. Das fragt sich auch Severine vom Blog „Mama on the Rocks“, und ruft zur Teilnahme an einer Blogparade auf. Wer über dasselbe Thema schreiben und bei Severine verlinken möchte: Nur zu!

Das Arbeitsamt will, dass wir uns lückenlos präsentieren.

Das Arbeitsamt will easy Klienten, eine positive Statistik und nicht nur die Schwervermittelbaren. Das Arbeitsamt hasst Lücken. Schon als Teenager wird uns daher eingebleut: Produziert in eurem Leben bloß keine Lücken. Denn dann braucht ihr Ausreden, um die wieder zu stopfen… Aber wir wollen euch ja auch nicht beibringen zu lügen. Ab da wird es kompliziert.

Lücken sind Sachen, die Spaß machen oder nur uns privat etwas angehen. Lücken hätten aber rückwirkend nicht passieren dürfen, jedenfalls nicht, wenn wir irgendwann auch mal Geld verdienen wollen.

Die folgenden Beschreibungen sind fiktiv, können aber durchaus so passiert sein: Drei Monate Urlaubsreise nach Bali: Lücke. Ein Jahr bei den Eltern wohnen, weil das Studium nicht mehr zusagt und wir nicht wissen wohin: Lücke. Sex mit dem Richtigen, Schwangerschaft und Nestbau: Lücke.

Wie vermeiden wir Lücken im Alltag? – Ein paar Beispiele

Die lückenbesorgte Urlauberin beugt vor, indem sie mit einem Programm nach Bali reist. Sie wird dort in ihrem Hostel nicht nur schlafen, sondern natürlich auch an der Bar arbeiten. Sie wird nicht nur private Urlaubsbekanntschaften schließen, sondern ihr Netzwerk erweitern. Das Jahr bei den Eltern wird selbstverständlich mit einer Immatrikulation in einen unproblematischen Studiengang kaschiert, das nur fünf Leute studieren und wo man selbst nie hingeht,  z.B. Religionswissenschaften. Und Schwangerschaft und Kinder? Hier zögern viele. Und schreiben dann nicht nur: Elternzeit, Kindererziehungszeit. Sondern erwähnen ihre Kinder arbeitsamtskonform gleich im Header ihres CV: „Drei Kinder, geboren 2005, 2009, 2012, in Betreuung.“

Für wen schließen wir die Lücken?

Jetzt wollen wir mal darüber nachdenken, für wen wir die Lücken schließen sollen. Ist es wirklich für uns? Damit wir uns besser fühlen und glaubwürdiger, sinnerfüllter und innerlich geläutert durchs Leben gehen? Nein, wir schließen die Lücken für einen fiktiven Chef eines fiktiven Unternehmens, wo wir uns gegebenenfalls bewerben. Wenn das Arbeitsamt eine solche Stellenausschreibung für uns raussucht und die nicht völlig bescheuert ist, machen wir das auch. Wir seufzen und öffnen die Datei lebenslauf_version28347.docx und lesen wieder und wieder unseren Header: „Geboren dann und dann. Verheiratet. Drei Kinder.“

So war es auch bei mir. Dass meine Kinder groß obendrauf auf dem Lebenslauf prangten, machte mich sicherer. „Dann muss ich das Kinderthema nicht erst im Vorstellungsgespräch ansprechen.“ Dachte ich. Als ich mich einmal bei einem Volontariat in Berlin bewarb, saß ich stundenlang vor meinem CV, bis da so etwas stand wie:

„Eine Tocher, 5 Monate, zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme vorauss. 9 Monate alt, wird zu diesem Zeitpunkt ganz, ganz sicher, das verspreche ich, einen Kitaplatz haben, was denn sonst!!!!“

Wie unschwer zu erahnen, wurde ich nicht eingeladen. Hier war guter Rat teuer.

Lohnt sich eine freiberufliche Tätigkeit?

Zu mir als Geisteswissenschaftlerin, die außer mehreren Sprachen nur schreiben und Computer kann, kam der Rat in Form des Freiberuflertums. Freiberufler sein, das gilt für das Arbeitsamt (und für die eigenen Eltern und die Uniprofs sowieso) als Falle. Solltet ihr euch dafür entscheiden, Freiberufler zu werden, wird der Aufschrei nicht ausbleiben: DIE FIRMEN NUTZEN DICH NUR AUS!!! DU WIRST NIE FERIEN HABEN!!! DU DARFST NIE KRANK SEIN!!! DU ARBEITEST 24/7 OHNE WOCHENEND- UND NACHTZUSCHLAG. DU BEKOMMST DEIN GELD NIE RECHTZEITIG UND ES WIRD SICH IMMER JEMAND FINDEN DER ES BILLIGER MACHT!!!

Klar, das alles kann passieren. Und es wird auch passieren. Aber mal ehrlich: Hast du als Mutter/ Eltern denn überhaupt jemals frei? Gibt es die ersten Jahre mit Kind denn überhaupt irgendeine Minute, in der du zum Nachdenken, Ausspannen oder auch nur zum ESSEN oder SCHLAFEN kommst?

Wenn ihr überlegt, euch mit eurer Tätigkeit freiberuflich zu machen und Kinder habt, würde ich euch immer dazu raten: macht es. Einkommensausfälle (vor allem am Anfang) können durch einen Gründungszuschuss des Arbeitsamts ausgeglichen werden. Oft muss man sehr sparsam leben, keine Frage. Von Anfang an solltet ihr in beruflichen Netzwerken nach Gleichgesinnten suchen. Redet mit Frauen, die 10, 20, 30 Jahre älter sind. Ihr erfindet nämlich nicht das Rad neu. Alles hat es schonmal gegeben und davon war das meiste nicht schlecht.

Nach zehn Jahren Freiberuflertum mit mittlerweile drei Kindern kann ich sagen: Tatsächlich kommt nichts dem Elternleben so entgegen wie eine freiberufliche Tätigkeit.

Fail No1: Krank zur Arbeit gehen

Ein Beispiel aus der Welt des Angestelltentums: Wenn du angestellt bist, kannst du noch so glaubwürdig und motiviert deinen Job machen, es kommt der Tag, da ist das Kind krank. Nicht nur für einen Tag, sondern für eine Woche. Oder länger. Und danach ist das nächste Kind krank. Jeden Tag wird dein Vorgesetzter ungeduldiger, schon nach drei Tagen ist dein Aufgabengebiet an deine Kollegen vergeben, und so manche Aufgabe kommt vielleicht nicht zurück. Wenn du zwei Wochen lang (abwechselnd mit deinem Partner) deine Kinder gepflegt hast, bist du selbst krank. Aber du traust dich nicht, noch länger zu fehlen. Also pumpst du dich mit Schmerzmitteln voll und gehst trotzdem.

Fail No2: Zeitversetzt Urlaub machen

Noch ein Beispiel: Wenn deine Kinder bereits schulpflichtig sind, haben sie ungefähr 12 Wochen frei, du selbst hast aber nur 4 Wochen. Glücklich bist du, wenn du dich mit deinem (im Beispiel ebenfalls beruflich aktiven) Partner absprechen kannst. Dann schafft ihr es, zeitversetzt jeweils 4 Wochen Urlaub zu nehmen, damit die Kinderbetreuung abgedeckt ist. Fehlen noch 4 Wochen, die gut geplant und abgesteckt sein müssen: Kann das Kind zu den Großeltern gehen? Oder nimmt es am Ferienprogramm eines Vereins, einer Kirche teil? Da muss es angemeldet werden und es entstehen Kosten. Gemeinsamer Urlaub? Fehlanzeige!

Das Angestelltendasein ist für viele Menschen nichts

Ich könnte noch mehr Beispiele anfügen. Aber schon jetzt stellt sich die Frage, was am Angestelltendasein besser sein soll als am Freiberuflerdasein. Offensichtlich nämlich NICHTS. Angestellt sein (ohne Möglichkeit auf Homeoffice und flexible Arbeitszeiten) ist nicht nur nichts für Eltern, die sich um Kinder kümmern müssen. Es ist auch nichts für alle anderen Menschen in Lebenskrisen, mit chronischen Erkrankungen, mit Care-Aufgaben, die über das tägliche Abspülen und Katzefüttern hinausgehen – wie das Kümmern um behinderte, kranke oder demente Angehörige.

Zurück zur Ausgangsfrage: Sollen die Kinder im Lebenslauf erwähnt werden, ja oder nein? Hierzu werdet ihr landauf, landab verschiedene Antworten in der Ratgeberliteratur und der Rechtssprechung finden. Mein Rat lautet: Wenn es passt, ja. Wenn nicht, dann nicht.

Kinder auf der eigenen Homepage erwähnen?

Fragt euch: Würde auf eurer (fiktiven) Homepage, auf der ihr eure Skills und Arbeitskraft anpreisen würdet, stehen, dass ihr Kinder habt? Vermutlich nur, wenn das mit eurem Job in Verbindung steht. Bspw. ihr wollt als Tagesmutter arbeiten. Dann macht der Hinweis darauf, dass ihr zwei eigene kleine Kinder habt, die ihr sowieso schon betreut, durchaus Sinn. In (fast) allen anderen Fällen nicht.

Warum sollen Kinder Lückenbüßer sein?

Und fragt euch: Warum überhaupt Kinder als besondere Lebens-Herausforderung oder geniale kleine Lückenbüßer nennen, wo doch die meisten Erwachsenen in ihrem Leben irgendwann einmal mit Kindern zu tun haben? Seien es eigene, Pflege-, Adoptiv-, Paten- oder Stiefkinder, später (vielleicht auch schon früher) einmal Enkelkinder. Um Kinder muss sich gekümmert werden, und das geht bei den meisten Jobs nicht während der Arbeit. Das sollte eigentlich ein Allgemeinplatz und nichts Besonderes sein.

Das ist es aber leider nicht. Denn wir leben in einer patriarchalen und profitorientieren Welt, in der Mann als Arbeitskraft ständig zur Verfügung und abrufbereit zu stehen hat, in der es keine Krankheiten, keine privaten Sorgen und Verpflichtungen gibt. Die Heldenserien aus Kino, TV und Streaming leben es uns jeden Abend vor: der Größte ist der, der nie schläft, nie isst, immer nur soviel verliebt ist, dass er noch zu 120% zum Arbeiten kommt, und Kinder, wenn überhaupt, weit weit weg vom Job an einem sicheren Ort von einer anderen Personen aufziehen lässt.

Was ist mit anderen privaten Herausforderungen?

Fragt euch auch: Würdet ihr außer den Kindern andere private Herausforderungen, die im Vorstellungsgespräch zu Rückfragen führen würden, im Lebenslauf nennen? Beispielsweise ein arbeitsintensives Ehrenamt (das mit der Jobbeschreibung nichts zu tun hat), häufige längere Fahrten ins Ausland zur Verwandtschaft, eine demente Mutter oder Oma, für die ihr zu festen Zeiten verantwortlich seid, oder ihr habt gerade einen großen Pferdehof gepachtet, wo neben der Sorge für die Tiere erst einmal die Scheune repariert werden muss…

Meine Kinder stehen also nicht im Lebenslauf. Das heißt nicht, dass ich mich ungerne als Familienfrau präsentiere. Im Web mache ich das auf zwei getrennten Seiten. Es gibt meine Job-Homepage und es gibt mein Landfamilienblog. Viele interessiert nur eine der beiden Seiten. Wer will, kann beides lesen.

Macht mit bei der Blogparade von Mama on the Rocks!

Coronatagebuch Tag #45

Ich wünsche mir, diese Zeit einfach abkürzen zu können. Indem ich einfach Winterschlaf mache z.B. Nur das geht schlecht, wenn man täglich frühmorgens von zwei knallegutgelaunten Kindern geweckt wird. Und mit diesem strahlenden Sonnenschein geht es schon gleich gar nicht. Sonne bis in den letzten Winkel. Alles muss ausgeleuchtet werden. Nichts darf verborgen bleiben.

Eigentlich möchte ich diese Zeit auskosten. Wann werde ich jemals wieder wochenlang gemütlich bis 8 oder 9 liegenbleiben können? Wann wird es jemals wieder eine Zeit geben, in der das Auto einfach stehenbleibt? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal getankt habe. Logischerweise ist Tanken gerade so billig wie in den letzten 10 Jahren nicht mehr.

Tankfüllungen hamstern? Mit Airbnb-Aktien spekulieren?

Macht ihr nur. Ich habe heute auch eine Menge gemacht. Eine Hütte im Wald gebaut. Kartoffeln ins Beet gesetzt. Eine kleine Radtour unternommen. Essen gekocht. Bücher vorgelesen und versucht selbst zu lesen. Zoom auf einem Tablet eingerichtet.

Wenn diese Zeit zu Ende ist, würde ich gerne mitnehmen:

  • Weniger Kindergarten, mehr Kinderclub bei Nachbars
  • Schule öffnet um 9
  • Rücksicht und gebührender Abstand zwischen Fremden
  • Recht auf Homeoffice
  • Recht auf Homeschooling
  • regelmäßig genügend Zeit für Blumen, Bäche, Äste, Lehmvorräte und Kaulquappen
  • Mehr lokal einkaufen und Ausflüge in die nahe Umgebung, ohne zu befürchten, dabei „Trends“ zu verpassen

Coronatagebuch Tag #39

Heute ist wieder Schule. Die Lehrer bedanken sich mit diesem Video für das, was die Schüler in den letzten Wochen alles geleistet haben.

Das Schulkind (10) hat kaum Zeit, dieses Video anzusehen. Eine dreiviertel Stunde vor Konferenz-Start sitzt es schon am Rechner, liest sich die Infos für die kommenden Wochen durch und macht sich dann bildschirmfein. Nach der Zoom-Konferenz wird sogleich ein Lego-Filmchen gedreht, eine Dropbox eröffnet und das Video hochgeladen. Nebenbei werden kurze Clips (genannt Inputs) gehört und Blätter ausgedruckt.

Abends nach 18 Uhr höre ich: „Mama, das Homeschooling macht gar keinen Spaß mehr.“

Wie auch, nach mindestens sechs Stunden Konferenz-, Kopier- und Stresslevel deluxe. So viel halte ich momentan selbst nicht aus.

A propos aushalten: Ich kriege heute nur Dinge erledigt, die einer sehr kurzen Planungsphase bedürfen und sofort umsetzbar sind. (Dazu zählen: Kräuter pflanzen. Erde verteilen. Alles gießen. Einmal zum Bäcker und zurück trödeln. Rasen mähen. Tomaten umsetzen. Nochmal alles gießen.)

Alles, was darüber hinausgeht, bringt mich ganz schrecklich auf. Das liegt nicht zuletzt und ganz sicher an dem herausfordernden Verhalten der Jüngsten heute. Nichts stimmt. Nichts passt. Alles tut weh, alle sind doof, alle haben sie gehauen. Auch der Besuch der Nachbarsfreundin bringt keine Abwechslung.

Und es liegt daran, dass mein Mann heute (genau wie das Schulkind) homeofficebedingt vor dem Bildschirm hängt. Konferenzen, Chats, Uploads, sowas.

Wir haben großes Glück

Die Krise hat uns als Familie wirklich nicht hart getroffen. Dabei bleibt es auch. Wir haben keine belastenden Jobs, müssen weder täglich raus zur Arbeit, noch haben wir harte Entscheidungen am Bildschirm zu treffen. Ich kann meine Arbeit in der Regel dann erledigen, wann es mir am besten passt. Ich kann meine Termine gut einplanen. Und es ist immer einer von uns beiden für die Kinder da, physisch zumindest.

Es könnte so viel schlimmer sein. Das Blog Große Köpfe aus Berlin trägt gerade die verschiedenen Eltern-Stimmen zusammen, die sich im Netz häufen. Unter dem Stichwort #coronaeltern werden angeklagt: Mehrfachbelastung, psychischer Stress, Vereinsamung, fehlende Lobby, die Lippenbekenntnisse der Politik gegenüber Eltern. Ganz zu schweigen von den Eltern, denen es schwerfällt, für sich und ihre Kinder zu kochen, für die es sonst die Tafel und die Arche gibt. Aber auch die fallen jetzt aus.

Der Baden-Württembergische Landeselternrat, von dem ich bislang noch nie gehört habe, fordert anhand der Unterschiede in den Elternhäusern eine Sommerschule. Es soll so etwas wie verkürzte Sommerferien sein, allerdings auf freiwilliger Basis. Für Schüler, die noch ein bisschen mehr machen wollen (oder sollen?).

Gottseidank ist unsere Landesregierung da mit mehr Verstand gesegnet und beschließt heute, dass in diesem Jahr kein Schüler sitzenbleiben darf. Geht doch.

Die größte Viren-Forschungsstation Asiens befindet sich in Wuhan

Wir wissen jetzt auch: Das Wuhan Institut für Virologie ist die größte Virusbank Asiens. Mehr als 1.500 verschiedene Erregerstämme sind dort vorhanden. Das Zentrum ist das erste Bioforschungslabor der höchsten Sicherheitsstufe in ganz Asien. In solchen Laboren dürfen hochansteckende Krankheitserreger der Klasse vier – etwa Ebola-Viren – aufbewahrt werden.

Zufall, sagt der Leiter des Instituts. Reiner Zufall, dass das größte Viren-Forschungsinstitut Asiens ausgerechnet in der Stadt liegt, in der der neue Erreger ausgebrochen ist. Wer einen Zusammenhang sieht, ist auf US-Propaganda hereingefallen. (Quelle: Deutschlandfunk.)

Coronatagebuch Tag #34

Momentaufnahmen aus dem Homeoffice

  • „Wo ist mein Passwort für die Lernplattform?!?!“
  • „Können wir den Beitrag auch später veröffentlichen? Wir kriegen weder Bilder noch ist irgendetwas Berichtenswertes passiert!“
  • „Ich müsste mal wieder aufräumen!“
  • „Ich habe einen Splitter im Finger! Ich habe Bauchweh! Ich habe Hunger, Durst und finde mein Aufkleberbuch nicht mehr! Ich glaube, die Oma ist gestorben!“

Da muss schnell jemand gedrückt werden und es muss ganz fest versprochen werden, dass niemand gestorben ist („nein, auch nicht ganz kleine Babies“) und die Oma jederzeit ans Telefon geht, wenn man sie anruft.

Das Wetter ist kühler, aber immer noch unverhältnismäßig schön und klar. Seit dem Lockdown gab es keinen Tropfen Regen. Wir fahren mit den Fahrrädern zum Einkaufen. Vorbei am glitzernden, sprudelnden Fluss, der mal ein langsamer, lehmiger Fluss war, aber das ist lange her. Ich bin mir ganz sicher, sobald alle wieder uneingeschränkt zur Schule und Arbeit müssen, kommt eine Regenzeit, in der es den ganzen Tag nicht richtig hell wird, aber wir müssen dann immer um 6 Uhr aufstehen und vergessen den Regenschirm zu Hause und kämpfen uns todmüde durch den grauen Tag. Irgendwas ist ja immer.

Während ein Teil der Familie einkauft, ist der andere Teil im Garten dabei, Baumstrünke rauszureißen. Zwei Nachbarn helfen, einer mit seiner Muskelkraft, der andere mit einem Glas Wein, das er zum Trinken anbietet.

Erde und Wein, Kirschblüte und Sonnenuntergang.

Schade, dass in zwei Wochen schon wieder Schule ist. Die Kanzlerin und die meisten der Ministerpräsidenten haben sich auf den 4. Mai als Wiedereinstieg geeinigt. Zum Glück müssen dann aber nur die Schüler der Abschlussklassen hin. Betrifft uns nicht.

Im öffentlichen Nahverkehr sollen ab jetzt „Alltagsmasken“ getragen werden, das sei aber nur eine Empfehlung. Buchläden dürfen wieder öffnen. Unis und Bibliotheken öffnen schrittweise wieder. Restaurants und Hotels bleiben geschlossen, Kitas auch, Großveranstaltungen sind bis zum 31. August verboten.

Lesenswert:

Alexander Kekulé: Was wir aus der Schweinegrippe lernen können, 11.12.2009, Aus Politik und Zeitgeschichte

Coronatagebuch Tag #28

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Gestern Gartenarbeit. So viel, dass ich beim Augenschließen nur noch Erde, Steine und Wurzeln sehe. Muss trotzdem noch Rechnungen schreiben und Mails beantworten… daher wurde Tag #27 auch nicht dokumentiert.

Heute, also an Tag #28, genau wie gestern. Wieder Garten. Aber ich gehe erst gegen 17 Uhr nach draußen, vorher habe ich mir eine strikte Homeoffice-Zeit verordnet. Telko mit der Agentur des Vertrauens. Gespräch in etwa so:

A: „Kannst du dir vorstellen, mit so einem Budget zu arbeiten?“
B: „Ja, wir können nachher Popcorn machen.“
A: „Jetzt zieh endlich deinen Schlafanzug aus!“
B: „Ja, die Bedingungen sind gut, ich würde aber noch Details mit dem Kunden besprechen.“

Eine WhatsApp-Nachricht vom Freund trifft ein: Seine Familie und er lagen 14 Tage mit dem Virus flach. Er meint, dass es ihnen jetzt besser ginge. Gerade die jüngeren in der Familie hatten zu kämpfen, Grundschüler. Also doch nicht nur ein Virus für alte Leute.

So gute Laune

Die Kinder sind wieder den ganzen Tag so selbstständig drauf, dass ich mich kaum an Zwischenfälle mit ihnen erinnere. Der Mittlere, der sich immer selbst im Weg stand und jammern konnte wie ein Weltmeister, ist gerade ganz erstaunlich. Er hat einen Milchzahn ohne Klagen verloren, isst jetzt lieber Käse- als Nutellabrot und schreibt Geschichten von links nach rechts, die aus hunderten kleinen Bildchen bestehen, die er uns „vorliest“. Wir haben die verordneten Ferien genutzt, ihm nachts die Windel zu entziehen, was ohne einen einzigen Zwischenfall auch geklappt hat. Und überhaupt, er ist witzig und entspannt.

Auch die Nachbarn sind allerbester Laune. Nachbarin X verlegt ihre Akazienholzterrasse neu. Nachbarin A. hat nach zwei Wochen Krankschreibung nur eine Woche arbeiten müssen und genießt jetzt ihren Urlaub. Anstatt in die Niederlande geht es ins Bauhaus, aber das ist auch ok. Nachbar F. läuft mit einer Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf über die Terrasse, schiebt sie sich kurz auf den Kopf, um das Real Life abzuchecken, und verschwindet wieder.

Alle haben gute Laune. Klar, die Arbeit ruht bei vielen fast oder ganz, und die Kinder spüren, dass bei den Erwachsenen der Stress, zu genügen, nachgelassen hat. Auch das Wetter spielt mit. Stell dir vor, es ist Apokalypse, und die Sonne scheint.

Es ist Sommer.

Regen haben wir seit einem Monat nicht mehr gesehen. Daher ist dieses Jahr der Frühling rund einen Monat früher dran als 2002. Das weiß ich zufällig, weil wir 2002 am 1. Mai spazieren waren und gerade die Buchenblättchen ausbrachen. Dieses Jahr sind die Buchenblättchen am 9. April soweit und alle Hügel sind in einen hellgrünen Schleier gehüllt. Das tröstet nicht darüber hinweg, dass wir aufgrund der großen Trockenheit in den letzten Jahren ein Waldsterben haben. Unser Wald ist zwar größtenteils verschont, Nadelwälder hat es härter getroffen, die Eichen auch.

Die Mücken stechen uns schon. Die Feuerkäfer krabbeln schon. Wir gießen den Garten um halb 9 Uhr abends, barfuß. Nachts liegen wir da mit geöffnetem Fenster.

Breiten sich Viren bei Trockenheit nicht langsamer aus? Gibt’s da einen Podcast zu?

Ich bin jetzt doch müde geworden ob der vielen Nachrichten. Maskeauf ist die neueste Aktion, die mit einem halben Auge wahrzunehmen ich mich gerade noch aufraffen kann. Promis treten für das Tragen des Mundschutzes ein. „Schick uns ein Bild von deiner selbst gemachten Maske! Das wird der sinnvollste Modetrend aller Zeiten.“ Gezeichnet, Charlotte Roche, Jan Böhmermann und alle.

Wie gesagt, der Boden für die allgemeine Masken-Akzeptanz in der Bevölkerung wird sehr gut vorbereitet.

Eine Freundin instagrammt das Symboldbild der Woche: Eine Nähmaschine. Die im Garten steht. Bereit für die letzten paar Stiche am hübsch geblümten DIY-Mundschutz. Im Hintergrund die Kinder. Das Spielhäuschen, das Dreirad. Und über allem: Sonne satt.

Heute sind es weltweit anderthalb Millionen Infizierte, davon rund 500.000 in den USA. In Deutschland sind es 115.523, davon sind 2451 gestorben, 50.557 wieder gesund.