At home im Januar

Wenn man ins Büro kommt, macht man sich auf dem Weg dorthin so seine Gedanken.

Wie werde ich heute performen. Gibt es Widerstände. Will Frau Zankapfel auch heute wieder mit jedem Streit. Will Herr Missverständnis mich wieder um jeden Preis missverstehen. Will der Drucker wieder das Papier nicht hergeben, der Postbote den Eingang nicht finden und muss das Fenster wieder auf Kipp stehen, obwohl ich dann so friere. Oder wird es ein schöner Tag, mit Sonne, Kuchen, schnellem WLAN, neuen Aufgaben und lächelnden Kollegen?

Damit vieles von dem Guten und weniges von dem Schlechten eintritt, legt man sich so seine Strategien zurecht. Frau Zankapfel wird man einfach aus dem Weg gehen, um minimale Angriffsfläche zu bieten. Herrn Missverständnis wird man zum Mittagessen einladen, um ein paar Themen jenseits der Verständnisfallen aufgreifen zu können. Den Kuchen kann man selbst noch auf dem Weg vom Bäcker mitbringen. Man könnte vielleicht sogar Frau Zankapfel ein Stück Kuchen…

Wenn man ins Homeoffice kommt

Wenn man ins Homeoffice kommt, ist der Weg dorthin ebenso von Gedanken begleitet. Werde ich es schaffen, das schimpfende Kind zum Anziehen zu bewegen, bevor die Videokonferenz beginnt? Wer aus der Belegschaft wird heute einkaufen, Geschirrspülen und die Wäsche aufhängen? Ganz sicher gibt es auch heute wieder Missverständnisse und weitergeschobene Aufgaben.

Und ebenso sicher schnappen wir uns wieder gegenseitig die Bandbreite weg, weil das hier eigentlich gar kein Büro und keine Schule ist und die Ausstattung nur für private Zwecke ausreicht. Wer zuerst drin ist, bekommt das beste Bild. Die anderen müssen nehmen, was übrigbleibt. Kann ich mich in einer Konferenzpause einfach hinlegen oder ist das ein schlechtes Vorbild für die anwesenden Homeschooler? Dürfen die in ihren Pausen eigentlich einfach Lego spielen? Was ist eigentlich aus der guten alten Leibesertüchtigung zwischen den zahlreichen Bildschirmzeiten geworden, da gab es doch mal was von ALBA BERLIN?

Der hohe Anspruch an meine Zeit im Homeoffice – Zeit für mich, meine Arbeit, meine Geräte und mein WLAN – ist an die Realität angepasst worden. In der Realität gleicht das Homeofficehomeschooling-Ding einem Großraumbüro mit angrenzendem Restaurantbetrieb mit integriertem Waschsalon und einem Kegelclub mit offenstehender Tür. Natürlich kommen die Kinder und wollen Ausmalbilder, wenn man gerade nicht abgelenkt werden will. Aber die Kollegen kommen ja auch immer dann, wenn es gerade nicht passt. Natürlich gibt es Fragen der Zuständigkeit bei der Sauberkeit und Versorgung, aber es fehlen ja auch Kaffeemaschine, Hausmeister und Putzfrau. Dafür kann ich mich nach dem Frühstück aufs Sofa setzen, einfach so. Oder die Mittagspause ausdehnen, ohne dass es jemanden interessiert. Natürlich häufen sich Fragen wie „Wo ist das Ladekabel“, „Ich brauch jetzt den Laptop mit Word drauf“ und „Ich weiß nicht wie das geht und ich will es auch nicht wissen“. Im Großen und Ganzen ist jede Anfrage der Belegschaft innerhalb von Minuten geklärt. Im Gegensatz zu so mancher Endlosschleife, die eine Frage im Büro produzieren kann.

Nach einer Woche Homeofficehomeschooling ist jedenfalls eine klar: Ich mag meine neuen Mitarbeiter. Sie wollen ab und zu etwas haben, aber sie haben keine unerfüllbaren Wünsche wie „jetzt rausgehen“ oder „anderes Spielzeug“ oder „unbedingt Leute treffen“. Im Gegenzug honorieren sie es, wenn wir sie nicht mit unpassenden Aufforderungen wie „geht jetzt eine Stunde an die frische Luft“ oder „putzt jetzt das Bad, während wir hier am Bildschirm hängen“ in ihrem Flow stören. Und damit es noch stärker flowt, gibt es jeden Tag Leibspeisen, Livestreams und andere Lustbarkeiten. Die Belegschaft muss ja mitziehen, damit sie nicht innerlich emigriert.

Jetzt ist Freitag. Feierabend. Die Kollegen wollen noch einen draufmachen. Das ist auch ok, denn wir müssen wir am Morgen nicht mehr so früh aufstehen. Das können sie gut, denn sie sind immer witzig, schlagfertig und für allen Scheiß zu haben. Ich werde sie vermissen, wenn die Schule wieder anfängt.