Coronatagebuch Tag #54

Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

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Diese Frage stellte Bloggerkollegin Frau Brüllen vor ungefähr 27 Millionen Jahren. Also noch vor Corona. Die Frage soll immer am 5. eines Monats inklusive Hashtag #wmdedgt in einem Blogeintrag beantwortet werden.

Mittlerweile ist es so, dass sich nicht nur eine Handvoll Realos diese Frage stellen, die es begrüßen, dass ihr Alltag langweilig ist (äh – so wie ich). Nein, gerade stellen sich alle Menschen die Frage, was mache ich hier eigentlich die ganze Zeit. Und das auch noch 24/7 und in Echtzeit.

Dabei entstehen recht absurde Ideen. Wie z.B. die, dass es kein Virus gäbe, wir umsonst eingesperrt würden, weil uns jemand (ein Computererfinder und Gesundheitsmogul etwa) gefügig machen wollte. Weil das für sich genommen noch ziemlich langweilig ist, so über seine Lage herumzuphilosophieren, kann man jetzt auch jenseits der einschlägigen Onlineforen aktiv werden. Auf verbotene Demos gehen. Parteimitglied werden (in einer Gruppierung, die die Regierung absetzen will). Oder in den bewaffneten Untergrund gehen, wie es der Koch mit Kochshow unlängst verkündete.

5. Mai 2020

Der Tag beginnt wie jeder Homeschooling-Tag. Vater und Tochter stehen zwischen halb 8 und halb 9 auf. Beide haben letzte Woche neue Geräte bekommen. Ein neuer Laptop im Haus Landfamilie war überfällig. Und die Tochter hat ein Schul-iPad geliehen.

Seither habe ich meinen Laptop wieder für mich. Könnte eigentlich 24/7 arbeiten. Geht aber heute schlecht. Ging auch gestern schlecht. Wird auch morgen nur solala gehen. Die Schule in diesem Haus geht vor.

Die beiden Kindergartenkinder des Hauses bemerken es sofort, wenn sie nicht im Fokus stehen. Sie werfen sich auf den Boden; wenn man sie anspricht, antworten sie nicht, sondern beschweren sich über alles Mögliche. Spielzeug wird durchs ganze Haus geschleppt und natürlich wird nur in höchster Lautstärke gespielt.

10:25 Uhr. Ich habe mich ins Heimbüro geschlichen. Erstmal Brief ans Finanzamt tippen und diverse Geräte-Reparatur-Services anrufen und Zeug reklamieren. Ich plane einen Ausflug zur Stadtbücherei, mit Umweg über Handy- und Laptopreparaturservice. Ich lese E-Mails und korrigiere einen Text. Die Kinder wollen, dass ich ihre Puppe frisiere. Sie streifen sich alle Haargummis, die sie finden können, über die Handgelenke. Sieht nach einem neuen Trend aus. Mangels Festivalarmbänder diesen Sommer.

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Dann stelle ich Albas tägliche Sportstunde an. Die Kinder sind nicht so begeistert, machen aber brav mit.

12:15. Abzüglich wievieler Minuten? habe ich heute eine Stunde gearbeitet, beschließe ich. Schreibe ich auf. Das alles funktioniert nur, weil glücklicherweise Deadlines und Termine verschoben wurden. Weil ich eh in Projekten arbeite, bei denen es unterm Strich meine Sache ist, wie lange ich brauche. Und weil das Arbeitsamt länger zahlt. Und weil es trotz allem immer noch Jobs gibt, mit denen ich vom ALG wegzukommen gedenke.

13:00 Es gibt Mittagessen. Danach muss der Lehrer sofort wieder in sein Büro. Die Kinder üben Zaubertricks: „Mama, mach mal die Augen zu…!“

Zwischen 14 und 15 Uhr ist das Schulkind normalerweise fertig. So auch heute. Wir haben unseren „Kreis“ um eine neue Familie alte Freunde erweitert. Seither treffen sich die Kinder jeden Tag. Helm auf, Mundschutz auf, schon ist die Tochter auf dem Weg zur Haltestelle.

15:00 Der Mann hat eine Videokonferenz. Wir hauen lieber ab. Wir bringen Bücher zur Stadtbücherei, essen ein Eis und kaufen dem Sohn einen Fahrradhelm. Er trägt ausschließlich gebrauchte Sachen. Auch sein Fahrrad ist mehrfach gebraucht. Was ganz Neues an ihm zu sehen, kommt einer Premiere gleich. Ich habe extra viel Geld auf dem Konto, weil ich die letzten zwei Monate so gut wie nichts gekauft habe. Auf eine sehr große Wirtschaftskrise würde ich jedenfalls nicht wetten.

Funfact: Seit Mundschutz in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr Pflicht ist, tragen viel weniger Menschen das Stück Stoff freiwillig auf der Straße oder beim Fahrradfahren. Überhaupt finde ich, es fühlt sich gar nicht mehr nach Corona an. Die Sonne scheint immer noch hell, aber nicht mehr apokalyptisch. Es gibt auch Zwischentöne. Zum Beispiel haben alle Geschäfte auf, nur die Cafés sind verrammelt. Das Stadtleben fühlt sich dadurch mehr nach Landleben an. Man geht halt nur zum Einkaufen raus, lungert nicht an einem place to be mit free wifi auf Palettenholzmöbeln herum. Keiner bleibt sitzen, stehen, liegen, keine Gruppen quatschen, rauchen, lachen. Stattdessen stehen Leute in Schlangen vor dem ein oder anderen Geschäft. Insgesamt wirken alle sehr bodenständig.

Das Eis schmeckt nicht. Eigentlich meine Lieblingssorte. Aber was man mit Mundschutz auf den Lippen auswählt, schmeckt auch danach nach Papier. Für euch getestet.

Nach dem Eis geht es in die Stadtbücherei. Wer einen Mundschutz aufhat und eine Büchereikarte dabei, darf sich erst an einem Spender desinfizieren und dann immer den Pfeilen folgen. Über Umwege betritt man den Buchbereich, aber nicht ohne pro Person einen Streifen Papier zu bekomen, den man die ganze Zeit in der Hand hält und am Ausgang zurück in einen Korb wirft. Es fühlt sich ein bisschen an wie Schnitzeljagd.

Oh Mann, die halbe Welt hat einen hübscheren Mundschutz als ich. Frust!!! Besser bleibe ich ab jetzt zu Hause. Also bis der urbandoo (ist immer noch keine Werbung) da ist. Seufz. Die Kinder haben Yakari, Lucky Luke und Wormworld ausgesucht. Ich nehme Marianengraben mit. Auch wenn mir gar nicht nach etwas Traurigem ist.

18:00 Mann, der Junge sieht mit dem gelben Helm toll aus. Wahrscheinlich bin ich verblendet. Schließlich ist er mein Sohn und er sähe in jedem gutsitzenden Helm toll aus. Ich fahre den ganzen Heimweg hinter dem gelben Helm her und denke zum ersten Mal, dass er jetzt emdgültig groß ist und eigentlich nicht noch größer werden muss. Was Eltern eben so denken.

Abends gibt es Brot mit wahlweise Knoblauchraukensoße, Tomatenmark oder Käse. Ein bisschen wird aufgeräumt. Gelesen und gebloggt. Ich freue mich sehr auf morgen. Unsere Nachbarin hat angerufen und Kindertausch angeboten. Wir haben dann drei Kindergartenkinder von 9-12 bei ihr und von 12-15 Uhr bei uns. Das hat sich bewährt. Dann kann ich morgen vielleicht eine Bewerbung schreiben. Mal sehen.

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Ein 5. Januar im Schwarzwald #wmdedgt

 

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Die erste Januarwoche ist wie alle ersten Januarwochen. Die Weihnachtsferien sind irgendwie schon zu lang. Irgendwie haben alle Grippe. Der Dezember-Schnee ist verschwunden. Stattdessen hat es die letzten Tage so heftig geregnet, dass es tagsüber gar nicht mehr richtig hell wurde. Heute ist der erste glasklare Tag seit Jahresbeginn.

Das Ergebnis des Regens kam heute Nacht, als unser Dorf vom Rest der Welt abgeschnitten war wegen eines tobenden Bachs. Meine Familie, die einkaufs- und arztterminhalber am Nachmittag mehrere hundert Kilometer zurückgelegt hatte, musste das Auto unten stehen lassen und zu Fuß über den Bahndamm waten, wo sie dann bei Freunden klingelten und in einem VW-Bus sicher nach Hause gebracht wurde.

Das Wasser wollte ich mir heute Früh aus der Nähe ansehen, aber es sah schon wieder recht friedlich aus, siehe Bild. Ich hatte mir meinen Sohn geschnappt, um runter zum geparkten Auto zu laufen. Irgendwie machen wir das diesen Winter öfters. Zweimal mussten wir das Auto schon wegen dichtem Schneefall und Glätte unten im Dorf stehenlassen.

Wir fanden das Auto wieder, das trocken geblieben war, und auch gar nicht abgeschlossen (pssst!), stiegen ein und fuhren in den nächsten und in den übernächsten Ort. Supermarkt, dm, Paketabgabestelle, Apotheke, Bäcker. Erst ganz am Schluss fiel mir ein, dass heute der letzte Tag vor zwei Feiertagen ist. Aber ich hatte nicht die geringste Lust, nochmal eine Runde durch die Läden zu machen und beschloss, dass des Einkaufens nun genug sein sollte.

Nachmittags spielten wir Pferd, Eisenbahn, Puppe, verschiedene Gesellschaftsspiele ab 2, und ich las etwas vor. Vorlesen macht mich sehr müde, wenn die Kinder dabei wild durcheinandergreifen, -rufen und -fallen, aber trotzdem unbedingt vorgelesen bekommen wollen. Es macht mich sehr, sehr, sehr müde. Die beiden Kleinen husten außerdem seit einer Woche um die Wette, haben Durchfall und leiden unter Stimmungsschwankungen. Mittlerweile fühle ich mich selbst von dem Virus lahmgelegt. Aber ich muss ja weiterlaufen. Habe gestern Nachmittag schon im Bett gelegen, und ein Nachmittag muss ja reichen, um krank zu sein.

Abends schreibe ich noch ein paar Termine für Januar und Februar in meinen Terminkalender. Es sind alles Termine, die sich um das älteste Kind drehen. Bei uns im Tal ist es üblich, dass die Eltern die Gruppen-Freizeitaktivitäten der Kinder – ob dorfintern oder dorfübergreifend – selber durchführen. Wenn man will, dass sein Kind irgendwo dabei ist, wo auch andere Kinder sind, muss man also selbst etwas auf die Beine stellen. In der Regel bekommt man Unterstützung von der Kirche oder vom Sportverein, die die Örtlichkeit und die Rahmenbedingungen stellen. Den kirchlichen Unterricht (zum Beispiel Jungschar) oder das Fußball-Training führen dann aber die Eltern durch. Wer nicht direkt eine Gruppe leitet, sollte sich ab und zu wenigstens um das leibliche Wohl kümmern. Mein Terminkalender füllt sich also mal wieder schnell mit Hinweisen wie „heute für 12 Leute backen!“, „heute 2 Euro mitgeben!“, „kleines Theaterstück einstudieren!“.

Die Maus hat sich heute schon wieder nicht fangen lassen. Seit drei Tagen lebt sie im oberen Klo, das wir seither nicht mehr betreten, ignoriert alle aufgestellten Fallen und zerfetzt Klopapier und Handtücher. So richtige Frotteehandtücher. Irgendwann gräbt sie noch ein Loch in die Fliesen, male ich mir gerade aus…

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? aka #wmdedgt ist eine Aktion von Frau Brüllen. Wer noch mehr Blogs über den 5. Januar lesen will, der klicke hier: http://bruellen.blogspot.de/2018/01/wmdedgt-0118.html

Ich lese mich jetzt ein bisschen durch die Blogs und gehe dann schlafen. Und ihr so?

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Tagebuch am 5. Oktober

Wollt ihr es wirklich wissen? Na gut. Der Tag beginnt um

01:00. Ich habe mich mit Gummibärchen gedopt und bin total fit, als Kind3 zum Stillen kommt. Auch um

03:00 bleibe ich gelassen, als Kind2 ins Bett getapst kommt. Nebenbei erschlage ich zwei Mücken, man hat ja sonst nichts zu tun. Um

05:00 ist wieder Stillzeit. Kind2 und Mann schlafen dabei selig weiter. Kind3 ist nach dem Stillen putzmunter und will auf mir rumkrabbeln. Passt, ich kann solange ja weiterschlafen. Als Kind2 auch noch aufwacht, lachen die zwei laut, der Mann schläft weiter.

06:30 Kind2 und Kind3 liegen im Wohnzimmer auf dem Boden und nehmen sich gegenseitig das Spielzeug weg. Der erste Kaffee läuft durch. Kind2 (2 Jahre) setzt sich selbstständig an den Tisch, schraubt das heiß geliebte MUTELA-Glas auf und schmiert sich ein Brötchen. Alle Achtung.

07:00 Der Mann geht zur Arbeit und nimmt Kind2 mit zur Tagesmutter.

07:15 Das Schulkind ist krank und tritt erst jetzt auf die Bühne. Nach dem Frühstück erkläre ich ihr, dass ich mich jetzt nochmal zusammen mit Kind3 hinlegen muss und unter keinen Umständen geweckt werden darf. Das Schulkind nickt und trabt in sein Zimmer.

08:45 Kind3 ist wieder wach. Zeit zur Breifütterung. Danach Bürostart. Die Kinder müssen im Wohnzimmer bleiben und dürfen nicht runterkommen.

Was macht eine freiberufliche Texterin / Redakteurin eigentlich den ganzen halben Tag? Nunja, jeder Tag ist anders, und das ist das wahrhaft tolle an diesem Job. Um eine fünfköpfige Familie alleine durchzufüttern, taugt diese Art der Arbeit allerdings weniger. Gestern zum Beispiel war es an der Zeit, Rechnungen zu schreiben. (Leider auch eine Mahnung.) Heute habe ich nach neuen Jobinseraten gegriffen und mich bei der Gelegenheit wieder restlos aufgeregt darüber, wie blödblödblöd meine eigene Webseite aussieht. Die Seite von Branchenkollegin Pia Röder hingegen – ein Traum. Die Webseite aller Webseiten. Macht sicherlich viel Arbeit. Ich verbeuge mich!

10:00 Viel Zeit zum Verbeugen (und zum Losschicken einer Bewerbungsmail) bleibt allerdings nicht. Wieder will die Jüngste was. Ab Januar kommt sie zu unserer geliebten Tagesmutter. Ich bin froh, dass ich mir das mittlerweile schon ganz gut vorstellen kann. Das kranke Kind hört jetzt eine CD und bastelt Häuschen aus hübschem Papier. Und schon kommt der Mann wieder nach Hause. Er hat einen Umweg über die Grundschule gemacht, um der Kranken die Hausaufgaben mitzubringen. So viel Begeisterung über Hausaufgaben hat die Welt noch nicht gesehen. In Windeseile wird eine Seite Mathe ausgefüllt.

10:30 Zeit fürs zweite Frühstück. Danach melde ich mich in einer Kurzschlusshandlung bei einem anderen Server-Anbieter an. Ich will eine neue Webseite und ALLES. MUSS. NEU!

12:00 Kind3 schläft seit geraumer Zeit. Kind2 muss abgeholt werden. Ich erinnere mich, wie es letztes Schuljahr manchmal lief: Die schlafende Jüngste ins Auto packen, den Mittleren holen, auf dem Rückweg PÜNKTLICH an der Haltestelle sein und die Große einsacken. Diese Tour ist mittlerweile längst abgeschafft – die Große, wenn sie gesund ist, läuft alleine, und der Mittlere wird sehr häufig von seinem Vater hin- und hergefahren. Das gibt mir großen Rückhalt fürs Business, das sich langsam aber sicher weiter entfaltet, mit jedem Schritt, den die Kinder ohne mich schaffen. Heute aber ist der Vater zu Hause, und so kann ich die Abholtour machen.

13:15 Ich war auch noch im Supermarkt und auf der Bank. Wir bekommen heute nämlich ein Klavier. Am Freitag wird die Große ihren ersten Unterricht haben. Alle sind gespannt.

15:00 Nach dem Mittagessen plane ich spontan – aber ganz bewusst – Zeit für die Große ein. Wir haben ihr das zum Geburtstag geschenkt. Lange hielten wir es für überflüssig, uns „bewusst“ Zeit für die Kinder einzuteilen, nach dem Motto: JETZT spielen wir was, es gibt dabei nur UNS, und wir hören auch nicht gleich wieder auf, nur weil ein Geschwisterchen weint oder das Telefon klingelt. Wir wollen das Leben, alle Momente, so nehmen, wie sie kommen. In einer Minute noch spielend, in der nächsten schon wieder in der Küche oder am Computer, je nachdem, was sich gerade am Wichtigsten hat.

Aber in den letzten Wochen, Monaten, Jahren hat sich für die Große eine Menge angehäuft. Sie hat mehr als zur allergrößten Zufriedenheit bewiesen, dass sie eine tolle große Schwester ist, die nicht im Mittelpunkt stehen muss. Jetzt, vielleicht mit dem Schulstress, vielleicht auch einfach mit der Zeit, ist etwas gekippt. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass sie etwas mehr Verlässlichkeit braucht, was unsere Zuneigung angeht. Oder: Es hat sich mit den Jahren die Art der Zuneigung geändert, die so eine mittlerweile Siebenjährige braucht bzw. einfordert. Schon im Alter von drei Jahren war es kein Problem für sie, stundenlang alleine zu basteln, zu bauen, zu spielen, CDs zu hören, abwechselnd mit Phasen, in denen lieber ihre Eltern vorlesen, vorsingen, trösten, ein Bad einlaufen lassen sollten… Das ist aber nun schon lange nicht mehr inspirierend. Die Aktivitäten müssen viel, viel herausfordernder sein. Herausforderungen gibt es zwar zur  Genüge – im Fußballverein, auf dem Schulweg, mit Freunden. Aber, nun ja, nicht bei uns. Viel zu oft sagen wir: Wir können dir nicht zuhören, wir können jetzt deine Idee nicht umsetzen, du siehst doch, deine Geschwister weinen gerade, können nicht schlafen, müssen gewickelt werden, müssen gerade gestillt werden, wollen ein Buch vorgelesen bekommen, und überhaupt, deine Eltern sind so müüüüüüüüüüüüüüdeeeee…

Heute also nehme ich mir (anstatt einen Mittagsschlaf zu machen) Zeit zum Spielen. Erst spielen wir Topfschlagen. Dann Scotland Yard und Stone Age. Dann holt sie das schwierigste Puzzle aus dem Regal, das wir haben. 112 Teile hat es und zeigt fünf Disney-Prinzesinnen. Wir puzzeln zwar bis zu Ende, aber es wird schnell klar, dass sowohl Stückzahl als auch Motiv sie überhaupt nicht reizen. Ihre Kommentare: „Die sieht ja aus wie Schmitts Katze… und die wie Schitt’s Katze… und die wie Witz Katze…“ oder: „Das ist ja Aschenbrödel… nein Aschenblödel… nein Aschenbrösel…“ usw.

16:00 Höchste Zeit, den Bruder zu wecken, der nach der Tagesmutter immer einen langen Mittagsschlaf hält. Sie legt ihm eine CD ein und tanzt mit ihm, danach lässt sie ihr ferngesteuertes Auto durchs Kinderzimmer sausen. Das mag er nicht. Lieber zieht er sich mit einem Brettspiel wieder in sein Bett zurück, das Thomas die Lokomotive zeigt. Das könnte er stundenlang bewundern. Ich hingegen bewundere die Jüngste der dreien, die sich tapfer zwischen lauter Musik, Fernsteuerauto und Papierbasteleien behauptet und einen Riesenspaß hat. Besonders viel Spaß hat sie, als sie sich an das Verzehren eines Papierobjektes macht. Danach kann man vor lauter Papierbrei und zerlaufenem Filzstift das Baby fast nicht mehr erkennen.

17:00 Baby umziehen, Kaffee trinken, Schokoflakes essen. Kind2 will immer mitessen, egal was was gibt. Am liebsten mag er Johghurt, und den isst er heute ganz ordentlich, ohne Kleckern. Kind1 mag keine zeitraubenden Zwischenmahlzeiten. Lieber noch mehr Hausaufgaben machen. Da klingelt es schon. Es ist

18:00 und im Hausflur stehen zwei Schüler aus der Nachbarschaft, die gekommen sind, beim Klaviertransport mit anzupacken. Die Vorbesitzer des Klaviers aus einer 1h entfernten Ortschaft sind auch pünktlich da. Sie haben das Klavier in ihrem Anhänger picco bello mit Paletten und Teppichen gepolstert. Wir staunen. In Null komma nix steht das Klavier an seinem neuen Bestimmungsort, die Vorbesitzer ziehen mit einer großen Summe Bargeld los, und wir können nun sagen:

„Ein Klavier, ein Klavier. Wir haben ein Klavier!“

19:30 Heute Abend liest mir Kind1 etwas aus GEO Mini übers Feuerlöschen vor. Dann gehen alle schlafen.

22:00 Kind2 steht heulend vor dem neuen Mückenlicht. Das soll die Mücken anziehen, aber es zieht anscheinend auch Zweijährige an. Ich bringe ihn ins Bett zurück und gehe wieder an den Computer.

22:30 Kind3 ist wieder wach. Menno.

22:45 Auf meiner neuen Webseite ist jetzt immerhin schon folgender default-Text zu lesen:

Hallo! Tagsüber arbeite ich als Fahrradkurier, nachts bin ich ein aufstrebender Schauspieler und dies hier ist mein Blog. Ich lebe in Berlin, habe einen großen Hund namens Jack, mag die Fantastischen Vier und ein kühles Bier.

Der Text wird zusammen mit einem WordPress-Theme geliefert und beschreibt einen Max Musterblogger. Max Musterblogger hat kein Geld, aber einen Traum. Er ist Single, unkompliziert, vielleicht aber auch paranoid und ganz bestimmt über 30. Was uns das über das Klischee des Bloggers sagt? Mit dieser Frage entlasse ich Sie und Euch…

Was machst du eigentlich den ganzen Tag aka #WMDEDGT ist eine Aktion von Blogger-Kollegin Frau Brüllen.

Mit dem Anderthalbjährigen sprechen aka WMDEDGT

Was machst du eigentlich den ganzen Tag (WMDEDGT), wenn du sehr erkältet bist, trotzdem nicht schlafen konntest und dir jetzt ein Tag bevorsteht, an dem du außer mit einem Anderthalbjährigen vermutlich mit niemandem reden wirst?
Richtig, du schläfst erstmal so etwas ähnliches wie aus. Das Kind hatte im Gegensatz zu dir einen seligen Schlummer. Beneidenswert. Es findet eine Fahne, sagt Nane oder so etwas und läuft bis zum Frühstück naneschwenkend durch die Wohnung.
Dann will es Banane (Nane) und Brot  (Gob), bekommt zudem noch ein Müsli, dann sagt es satt und Bürste und Schrubbschrubb, es sagt übrigens beim Klatschen auch Klappklapp und bei Pferden Tripptrapp und bei Mäusen Kribbelkrabbel, wie ein geborener Entertainer für Anderthalbjährige.
Dann ziehen wir Diebel an, Gummistiefel, es regnet nämlich seit zwei Tagen.
Wir sind zwei Stunden zu spät bei der Tagesmutter, aber das macht nichts. Hauptsache, ich bin pünktlich beim Abholen. Ich werde mich einfach nur mit Bonbons ins Bett legen und den Vormittag verschlafen, nehme ich mir vor. Alles was mit Arbeit zu tun hat, muss heute warten.
Nach nur vier Stunden hole ich den Kleinen wieder ab. Er lacht und sagt guckguck und ba-bau, weil er gerade mit Duplo baut. Mit Diebeln gehen wir raus zum Brunnen, das Wasser testen. Es ist nass (nan), wie zu erwarten war.
Zu Hause muss es unbedingt wieder Nane und Gob sein, und dann „an“. Ich soll also die batteriebetriebene Eisenbahn fahren lassen. Das beschäftigt ihn etwa eine halbe Stunde. Große Trauer um die Bahn, als ich sie wieder abstelle.
Um ihn, der schon den 3. Tag tapfer ganz ohne seine geliebte Schwester ausharrt, zu überraschen, fahre ich mit ihm ins Spielhaus. Das ist eigentlich nur für Touristen, die gerade ohne ihre Kinder was machen wollen, oder die genug vom Skifahren, vom Wandern oder schlechten Wetter haben. Im Spielhaus sieht es aus wie in einem Kindergarten. Es gibt eine Legoecke, eine Kissenecke, eine Ecke mit Kleinkindspielzeug, eine mit Spielzeug für größere Kinder, Tische mit Brettspielen, eine Rutsche und eine Turnmatte, sowie bunte Becher, in denen die Kinder sich ein Getränk in einer undefinierbaren grauen Farbe einschenken können, vermutlich Tee. Die Überraschung geht auf: der Sohn findet alles klasse. Aber er kommt auch genauso bereitwillig wieder mit zum Auto. Einjährige sind toll.
Zu Hause gibt es aufgewärmte Pizza. Die Pizza ist heiß. Die Pitta ist hatt. Trotzdem beeilen wir uns mit dem Essen, wir sind nämlich spontan von der Dame des Hauses zum Musizieren geladen worden. Die Mutter der Vermieterin, die ein Klavier in ihrem Salon hat und regelmäßig ihre große Familie einlädt, mit ihr zu spielen. Dass auch wir klassische Instrumente spielen, hat sich an Silvester herumgesprochen.
Es sind tatsächlich viele Leute dort, als wir ankommen. Zwei brechen gerade auf, mit meinem Sohn beschäftigen sich abwechselnd vier weitere, wieder andere albern auf dem Sofa herum. Zwei Geigen und das Klavier sind schon mitten im Spiel und ich komme mit dem Cello dazu. Es ist ein ganz gewöhnlicher Dienstagabend, an dem ich nicht genau weiß, was mein Sohn eigentlich die ganze Zeit macht, aber er lacht irgendwo im Hintergrund und die Zeit bleibt stehen.
Erst nach einer ganzen Weile kommt er zu mir und fragt: „Machst du?“
Zu Hause plumpst er sofort in sein Bett und will nur noch schlafen. Da ist es erst sieben Uhr.
Ja, ich hatte wirklich sehr viel Zeit für mich heute, dank Erkältung, lieber Menschen und guter Angebote. Und ich habe sogar mit mehr Menschen als nur dem Anderthalbjährigen gesprochen. Wobei „nur“ definitiv nicht mehr stimmt, so oft wie er mich heute mit neuen Wörtern überrascht hat. Da das in seiner Altersklasse nicht selbstverständlich ist, staune ich immer noch.

WMDEDGT ist eine Aktion von Frau Brüllen, die immer am 5. eines Monats dazu aufruft, zu erzählen, was man denn eigentlich den ganzen Tag so macht.