Es ist Freitag. Die ganze Woche schon verfolgen wir die Nachrichten rund um das neue Virus.
Am Dienstag waren wir in einem großen Konzert. Die Tochter hatte es sich gewünscht. So ein großes Konzert in einer richtigen Konzerthalle, man muss ein halbes Jahrhundert vorher Tickets kaufen, sowas.
Der Sänger stellte sich vor, dankte fürs Kommen und fügte hinzu: „Dies wird das erste Konzert meiner Tour sein und wahrscheinlich auch schon das letzte. Seit heute heißt es, sollen Konzerte mit über 1000 Besuchern verboten sein. Hier passen nur 680 rein, Glück gehabt.“
Am selben Tag schloss Italien alle Schulen und Universitäten.
Gestestet werden wir nicht
Den Rest der Woche kränkelten wir, weigerten uns aber, die Ursache beim Virus zu suchen. Egal welche Symptome man hat, man bekommt sowieso keinen Test. Der Kinderarzt hat gesagt: „Sie bekommen nur einen Test, wenn Sie in einem Risikogebiet waren und Symptome zeigen. Oder wenn Sie mit einem bestätigten Coronafall Kontakt hatten und Symptome zeigen.“
„Nur“ Symptome zu haben reicht also nicht für einen Test. Also auch nicht für eine Quarantäne. Vielleicht besser so.
Am Freitag schicken wir die große Tochter in die Schule und der Rest bleibt zu Hause. Mittlerer Sohn hat Atemnot, was wir auf sein Asthma zurückführen. Er nimmt die üblichen Medikamente und ist ziemlich fit. Kleine Tochter hat Magen-Darm-Beschwerden. Sie hat sich anscheinend bei mir angesteckt. Und wir Eltern fühlen uns wie erschlagen, haben Kreislauf, Halsschmerzen, schlafen abwechselnd.
An diesem Freitag kommt ein Freund vorbei, der sich schon seit längerem unseren Garten vornimmt. Er ist quasi unser Privatgärtner, was sehr praktisch ist, wenn man gerade ein Haus mit Garten gekauft hat. Diesmal kommt er aber nicht ins Haus. Wer weiß, was wir haben.
Trotz Symptomen gehen wir später noch auf den Spielplatz. Dort ist außer ein Opa mit einem Kleinkind niemand. Meine Kinder machen Jagd auf imaginäre Piraten. Und sie fassen die ganze Zeit das Klettergerüst an. Zu Hause schicke ich sie als erstes zum Händewaschen. Zum Glück ist die Motivation zum Händewaschen momentan sehr hoch. Im Kindergarten hat es Urkunden für die besten Händewascher gegeben. Meine Kinder können ihre Hände jetzt an Stellen waschen, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt. Und sie können währenddessen „Happy Birthday“ singen.
Fünf Wochen schulfrei
Die Tochter kommt nach Hause mit einem schweren Schulranzen. Die Lehrer haben den Kindern alle Materialien mitgegeben. Wir rechnen minütlich mit einem Aufruf zur Schulschließung.
Am Tag zuvor hat ein Land Europas nach dem anderen Schulschließungen bis Ostern verkündet. Bis Donnerstagabend sind es 24 Länder:
Belgien. #Schulschließungen
Albanien
Belgien
Bulgarien
Dänemark
Estland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Lettland
Litauen
Luxemburg
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Rumänien
Slowakei
Slowenien
Spanien
Tschechien
Türkei
Ukraine
Zypernhttps://t.co/Je5TjlOXxG— Caspar C. Mierau (@leitmedium) March 12, 2020
Jetzt müssen nur noch die 16 Bundesländer mitmachen. Baden-Württemberg ist recht stark vom Virus betroffen. Trotzdem kommt die Ansage erst um 14 Uhr:
„Alles Kitas und Schulen schließen ab Dienstag bis zu den Osterferien!“
Wir teilen die Nachricht mit anderen. Manche freuen sich, manchen kommt die Zwangspause ungelegen. Eine Freundin ist sauer, weil sie die Kita-Eingewöhnung und ihren Restart ins Arbeitsleben verschieben muss. Bei uns überwiegt die Freude über die unverhofft langen Ferien. Das erste Mal seit langer Zeit, dass wir beide nicht arbeiten müssen und gleichzeitig zu Hause sind – ohne Verpflichtungen, ohne Wecker am Morgen. Ich glaube, die nächsten Wochen werden ganz schön.
Nachmittags fahren wir in die Stadtbücherei. Ein paar Medien müssen dringend zurück. Die Stadtbücherei ist brechend voll. Wir leihen fast wahllos Bücher aus. Zwei Orte weiter, in Ludwigshafen, hat die Stadtbücherei bereits bis auf Weiteres geschlossen. Ein bisschen Nervenkitzel beim Bücherabscannen. Werden es die letzten Bücher für Monate sein?
Gratis-Veranstaltungen
Schade, dass ich aufgrund des ganzen Abend-Wahnsinns (Einkaufen, Abendesse, Bettbringzirkus) zwei Ereignisse verpasst habe, die ich mir wirklich gerne gegönnt hätte.
Nämlich das Gratis-Konzert von Igor Levit und die Gratis-Lesung von Jasmin Schreiber mit Moderatorin Natascha Strobel.
Seitdem ein Veranstaltungshaus nach dem anderen schließt (und die Leipziger Buchmesse gar nicht erst aufmacht) streamt der eine oder andere Künstler sein Programm live im Internet.
Heute Abend wieder:
Livestream Hauskonzert.
19:00.
Ich freue mich sehr auf Euch.Same procedure tonight:
Livestream concert from my living room.
7pm CET.
Very happy to see you all. pic.twitter.com/LXLDxi3Df1— Igor Levit (@igorpianist) March 13, 2020
Heute 2369 Infizierte und 8 Tote in Deutschland.