Coronatagebuch Tag #62

Der Kreis weitet sich.

Wir können bald wieder in Cafés und Sushibars abhängen. Wir können wieder rudern auf dem Neckar und jeden anderen Vereinssport betreiben. Solange er draußen stattfindet, man sich zu Hause umkleidet und es kein Mannschaftssport ist.

Urlaub buchen geht auch bald wieder, sobald es im jeweiligen Bundesland erlaubt ist, und sofern wir dort unter uns bleiben. Heißt in etwa, wir dürfen in Hotels keine Räume wie Sauna oder Sportplatz gemeinsam mit anderen nutzen. Im Lauf des Mai will jedes Bundesland wieder Urlaub zulassen. Also schon in den Pfingstferien können dann alle Deutschen (sofern sie Urlaub haben) wieder irgendwohin, wo sie sonst nicht sind. Wir können sogar Familien besuchen, die wir lange nicht mehr gesehen haben. Solange sich nicht drei Familien gleichzeitig an einem Ort treffen, geht das.

Ich träume immernoch von einer Fahrt mit dem ICE nach Berlin/Brandenburg. Weil mein Sohn, der im September eingeschult wird, nochmal was erleben will. ICE und Berlin sind seine Sehnsuchtsorte.

Dennoch zögere ich. Im ICE ist Mundschutz zu tragen und Abstand zu anderen Familien zu halten. Eine Stunde oder so ist das ja kein Problem. Aber den halben Tag? Mit  Getränken, Krümeln, Bewegungsdrang und Müdigkeitsanfällen?

Und wenn wir dann Berlin ablaufen: Wie lange müssen wir in den gerade wiedereröffneten Museen anstehen, die mangels Alternativen überrannt sein werden? Wie lange halte ich es an den Berlin places to be aus, wie Einkaufscenter, Sehenswürdigkeiten, U-Bahn, Cafés, Spielplätze… wenn man sich ständig ängstigt, jemand anderem zu nahe gekommen zu sein? Wenn alle Schlangen überall zehnmal so lang sind? Wenn man für jede Location im Vorhinein buchen muss? Wenn man sich jedes Mal vor dem Eintritt in irgendwelche vier Wände vergewissern muss, ob hier Mundschutzpflicht ist, und wo der verf+++ Mundschutz schon wieder ist?

Unsere Tochter verfolgt auch schon einen anderen Plan: Einfach mit Zelt durch den Odenwald wandern. Könnte bedeutend einfacher sein.

Man kann ja auch tageweise wandern. Immer wieder von zu Hause aus losgehen und gucken, wo man dann landet. Das machen ziemlich viele Leute mittlerweile. Das ist sowas wie der neue Volkssport. Kleinkinder nehmen Schaufeln und Eimer mit in den Wald, um am Bachufer zu graben. Sonnenanbeter pilgern zu den Lichtungen. Im Wald kann man viele andere Leute treffen und sich unterhalten, und weil der Wald so groß ist, kommt man sich da sowieso nicht so nah. Man kann mitgebrachte Brote essen und die Aussicht oder die frische Luft genießen. Man denkt nicht so viel daran, wie scheußlich alles ist, weil keiner einen Mundschutz auf hat. Man kann jederzeit weiterlaufen. Oder bleiben, bis die Sonne untergeht.

Wonach der August riecht

Der August riecht nach Zelt und nach Schlafsackschweiß. Der August riecht nach in der Sonne heißgekochter Salami. Der August riecht nach vertrocknetem Gras und nach vergilbten Maispflanzen, die mit ihren Füßen im Staub stehen.

Der August riecht nach der Wärme der Holzkabinen, in denen man auf Komposttoiletten sitzt.

Der August riecht nach Waldbrandstufe 5 und nach beschlagnahmten Gaskochern. Der August riecht nach Eichen, die vor Früchten starren, aber nur ganz selten macht es Plopp und eine Eichel landet im flachen Ufer des Sees.

Öfters macht es Knack und ein ganzer Ast kommt runter, deshalb am grünen Parkeingang die Warnung: „Aufgrund der großen Trockenheit kann es bei Altbäumen zu Starkastabbrüchen kommen.“

Der August riecht nach Sand und Seemodder und nach Sonnencreme in aufgewärmten Gewässern. Er riecht nach überhitzten Schwimmflügeln an kalten Ärmchen, nach Plastiktüten, aus denen man das Plastiksandspielzeug in den Sand kippt.

Der August riecht nach Pommes und Knackwurst mit Wespen und obendrauf Ketchup. Der August riecht nach Gurkenlake und nach frischgebackenem Kuchen und Pumpkannenkaffee für die frißchgeföhnten Eltern der frischgeföhnten Brandenburger Erstklässler.

Der August riecht nach Parkplatzstaub mit Kronkorken und nach der Süße der Mülleimer. Er riecht nach Nudelwasser und Wohnmobilklo. Er riecht nach Plastikbecherkaffee, den wir auf dem Spielplatz und am Seeufer trinken.

Und der August riecht nach der Kernseife, mit der abends die Kinderhände geschrubbt werden, während Hals, Zähne, Ohren und Zehen langsam eingrauen dürfen.

Mehr Beiträge zu „Wie der August riecht“ gibt es bei der Goldenen Bloggerin Fräulein ReadOn.

Ein Bett im Schwarzwald

6 Gründe, warum Eltern mit Airbnb vermieten sollten (keine Werbung)

Vorab: Airbnb ist diese Plattform zur privaten Vermietung von Gästewohnungen oder Gästezimmern.

Ich habe mit wenigen Klicks und ein paar Fotos aus meiner Kamera ein Inserat erstellt. Jetzt wohnen regelmäßig Urlauber bei uns. Fast immer sind es junge Paare, die im Schwarzwald wandern gehen. Tipps rund um Wanderwege und Gastronomie erhalten sie direkt von uns, ihren Gastgebern. Sie bezahlen keine Kurtaxe.

Lange haben wir gezögert, ob wir ein Zimmer unserer (jaja, zugegeben luxuriös großen) Wohnung aufgeben sollen. Wo soll denn dann unsere eigene Verwandtschaft unterkommen, wenn die mal zu Besuch sind? Und wohin sollen die größeren Kinder sich verkrümeln, wenn sie mal ein Video gucken oder mit Lego spielen wollen, ohne dass die Kleineren ihnen reinpfuschen? Und wann sollen wir das alles stemmen: das Inserat up-to-date halten, Gäste auswählen, Betten frisch machen, alles neben unserem eigenen Haushalts-Wahnsinn?

Doch dann gab es einen (kleinen) finanziellen Engpass, und so haben wir vor einem Monat beschlossen, unser Gästezimmer endlich zu inserieren. Ich betreibe hier keine Werbung für Airbnb, und ich kann die Plattform selbst auch nicht uneingeschränkt empfehlen. Dennoch, gerade für Familien in Elternzeit macht die (Unter-) Vermietung eines Zimmers ziemlich viel Sinn!

Ich finde jedenfalls, wie hätten schon viel früher damit anfangen sollen! Warum? 6 Gründe, warum Eltern mit Airbnb vermieten sollten:

  1. Es macht kaum zusätzliche Arbeit. Eltern, die viel zu Hause sind bzw. in Elternzeit, rennen den ganzen Tag zwischen Waschmaschine, Wickeltisch und WLAN hin und her. Nebenher noch ein Gästezimmer zu saugen und ab und zu mal die Airbnb-App zu checken ist, verglichen mit dem abendlichen Aufräumen des Kinderzimmers oder der Putzaktion des Hochstuhls, wirklich ein Klacks.
  2. Die Waschmaschine läuft sowieso schon. OK, jetzt kommen noch ein paar Gästebettbezüge und Gästehandtücher dazu. Doch: ein paar Wäschen hin oder her, zählen wir da überhaupt noch mit? Die Waschmaschine darf halt nicht schlapp machen.
  3. Die Welt kommt zu uns ins Wohnzimmer. Wenn man Kleinkinder hat, ist man oft und viel zu Hause. Ja, das ist langweilig. Immer schläft gerade ein Kind, oder ist krank, oder alles spielt gerade so schön, macht Hausaufgaben, oder man muss selbst dringend schlafen. Und schon ist der Tag wieder rum, ohne dass man vor die Tür gekommen ist. Von abendlichen Ausgängen ganz zu schweigen. Gerade in diesem extrem auf das Haus konzentrierten Lebensabschnitt gibt es nichts Schöneres, als die Welt zu sich nach Hause zu holen! Wir haben mit unseren Gästen spontan Pizza gegessen oder Pilze und Esskastanien aus dem Wald gekostet. Wir haben ganze Abende mit unseren Gästen verquatscht. Das war, anders als ich zunächst befürchtet hatte, kein bisschen anstrengend. Im Gegenteil. Wir brauchten dazu auch keine WhatsApp-Verabredungen, keinen Babysitter und konnten die Hausschuhe einfach anlassen.
  4. Es kommen noch mehr Freunde und Verwandte als vorher. Der Platz für die eigenen Verwandten und Freunde wird nicht weniger, im Gegenteil. Denn: nicht immer ist ein Airbnb-Gast da. Viele Tage steht das aufgehübschte Gästezimmer auch einfach nur leer rum. Freunde und Verwandte kucken sich das im Internet an. Und plötzlich checkt es jeder: da gibt es ein nettes, aufgeräumtes Zimmer mitten in einem Feriengebiet. Und jetzt will jeder mal zu Besuch kommen. Das ist schön!
  5. Der eigene Alltag wird relativiert. Seit gut anderthalb Jahren leben wir hier auf dem Land. Und nein, ich bin nicht ganze Nachmittage, Abende oder Wochenenden damit beschäftigt, die Hochzeit der Kusine aus dem Nachbardorf auszurichten und mit Schwester, Mutter, Freundin spazieren, joggen, Kuchen essen zu gehen. Das, was andere Mütter so machen, die hier aufgewachsen sind und sich hier prima auskennen. Gut, sicher bin ich (sind wir) auch etwas zu zurückhaltend oder zu selbstverliebt, um uns in das Leben hier zu stürzen. Sicher wiegt die Erinnerung an das Zurückgelassene, die alte Heimat, zu schwer. In Kontakt mit anderen Reisenden, Fremden zu treten, das tut in solch einer Situation gut. Wir sind trotz unseres überschaubaren Wissens über die Gegend für einen kurzen Moment die Welterklärer für unsere Gäste, die aus Spanien, Belgien, Frankreich zu uns in den Schwarzwald kommen. Im Gegenzug erfahren wir Einzelheiten zum Beispiel aus dem Künstlerleben Mallorcas. Ferne Orte sind plötzlich ganz nah. Wir sprechen wieder Englisch und Französisch. Mitten im Schwarzwald zu leben fühlt sich nicht mehr absolut, sondern relativ an. Und falls es einmal doch nicht ganz so nett mit einem der Gäste sein sollte (was bisher nie vorgekommen ist): Für den Rest des Lebens wird man nichts mehr voneinander hören.
  6. Man kann Geld verdienen. Der ursprüngliche Grund, warum wir als Eltern vermieten: das Geld! Mit Vermietung an Urlauber kann man kleinere Lücken mit geringem Aufwand wieder stopfen, was als Arbeitende/r in Teilzeit oder Elternzeit mitunter notwendig werden kann. Mit Airbnb ist dieses Hinzuverdienen auch noch erschreckend einfach. Mit der Zusage, die Gast und Gastgeber einander geben, steht der Preis fest. Einen Tag nach Eintreffen des Gastes wird die Summe auf mein Konto überwiesen. Kein Bargeld, keine Nachzahlungen, kein Gewese mit dem Gast über vorzuschießende oder zurückzuzahlende Kaution, der Gast muss im Ausland nicht an einen Bankautomaten, ich brauche kein Wechselgeld, kurz: ich verdiene Geld, ohne es zu bemerken. Fast ein bisschen unheimlich.

Campen gehen mit Kindern. Ein Erfahrungsbericht

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So geht Campen mit Babys, Kleinkindern, größeren Kindern (und Erwachsenen)

Ein Leitfaden für mehr Harmonie im Urlaub

  1. Campen mit Babys
    Babys ab etwa 4 Monaten lieben es, auf dem Boden herumzukullern, mit allem zu spielen, was ihnen in die Quere kommt, mit den Augen und Ohren vertraute Details zu erhaschen. Unser Baby hat sich beim Zelten rundum wohlgefühlt – wahrscheinlich am wohlsten von uns allen. Auf dem weichen Boden herumrutschen und durch die sanft schaukelnden Zeltwände den Stimmen der Familie zu lauschen, die nicht sichtbar, aber deutlich hörbar vor dem Zelt rumort: Mehr wollte unser Baby nicht, und das am liebsten den ganzen Urlaub lang. Die Zeltliebe des Babys ging so weit, dass ich nach der Ankunft zu Hause gleich ein kleines Strandzelt auf dem Balkon aufbauen musste, um dem genervten Geschrei der Jüngsten ein Ende zu setzen.
  2. Campen mit Kleinkindern
    Kleinkinder ab 1,5 Jahren sind rund um die Uhr am Entdecken. Es gibt einfach nichts, was nicht spannend für sie ist und sich irgendwie umfunktionieren lässt. Heringe, Zeltleinen, die Essens-Kisten im Zelt, der Müll vor dem Zelt, die Schuhe, mühevoll weggeräumte Taschenlampen, Handys und Geldbeutel… Und nicht nur das. Mit dem Zelten fallen auch die liebgewordenen Rituale des Kleinkindes weg: Hell und Dunkel, müde und wach, damit sieht es auf einmal ganz anders aus. Kleinkinder sind einfach die größten Störenfriede des auf Ordnung und Minimalismus bedachten Campers. Aber auch hier lässt sich mit ein paar Tricks das beste rausholen. Das erste und oberste Gebot lautet: Das Kleinkind muss am Laufen gehalten werden! Es darf niemals ruhen, außer wenn es schläft, dann aber unbedingt. Nimm es jedes Mal mit, wenn du zum Klo, zum Spülen, zur Rezeption musst. Auch wenn der Weg dadurch jedes Mal zehn Minuten länger dauert: halte es sooft es geht vom Zelt fern. Setze dich mit ihm ins benachbarte Strandbad, dort kann es stundenlang Steine sammeln, im Sand buddeln, Enten hinterherjagen. Wenn es abends dann immer noch nicht schlafen will, setze es in deinen Fahrradanhänger, dein Kanu, dein Auto, egal. Hauptsache, es darf nochmal eine schöne Abendrunde drehen.
  3. Campen mit größeren Kindern
    Eigentlich sind größere Kinder beim Camping zu allem bereit. Lange aufbleiben zum Beispiel, kein Problem. Mal früher ins Bett müssen, auch nicht soooo schlimm. Kein Eis heute zum Nachtisch, macht nichts, morgen ist ja auch noch ein Tag. Regen stört sowieso überhaupt nicht, da darf man im Zelt bleiben, spielen und malen und alles durcheinanderbringen. Was große Kinder eher stört, ist das Programm, das mit dem Zelten gar nichts zu tun hat. Man hat ihnen erzählt, dass sie mit ihren Eltern zelten dürfen / müssen. Darauf haben sie sich seit Wochen eingestellt, dazu sind sie bereit. Und nun das: Kanufahren? Wandern?! Alte Studienfreunde der Eltern besuchen???!!!! WTF??????!!!!!!!!
    Aber auch das machen größere Kinder mit. Wenn man ihnen im Gegenzug ihre eigenen Ideen gestattet. Den ganzen Tag auf dem Camping-Spielplatz spielen zum Beispiel. Einfach im Zelt sitzen, lesen und schreiben, anstatt mit den Besuchskindern zu spielen. Den Campingplatz alleine erkunden und wiederkommen ohne sich Fragen anhören zu müssen, wo man so lange war. Dann sind auch die großen Kinder vom Campingurlaub und seinen Nebenerscheinungen restlos begeistert.
  4. Campen mit Erwachsenen
    Fürs Campen eher ungeeignet haben sich die Erwachsenen erwiesen. Gut, sie liefern die Fakten wie Auto steuern, Zelt aufbauen, Essen kochen, alles schnell wegräumen bei Regen. Aber sie bezahlen das Ganze ja auch. Was die Erwachsenen nicht können, ist: das Campen, das sie sich ja selbst eingebrockt haben, so zu nehmen, wie es ist. Es müsste ihnen doch eigentlich klar sein, dass sie am Morgen nicht so einfach und schnell an einen Kaffee kommen wie zu Hause. Sie müssten doch wissen, dass sich die Kinder nicht willig um sieben Uhr abends ins Bett legen, sondern noch spielen wollen, bis es dunkel wird.
    Aber sie sind stur, diese Erwachsenen, und sehen einfach nicht ein, dass manches nicht so ist, wie sie es von zu Hause gewohnt sind. Das macht die Erwachsenen oft biestig. Ein wenig zu biestig für den Geschmack der Kinder. Daher auch der sehnsüchtige Blick des ältesten Kindes auf campende Jugendgruppen: „Wenn ich so alt bin, gehe ich nur noch mit meinen Freunden zelten!“