Coronatagebuch Tag #90

Die Sorgen der Eltern

Eltern gehen mit Kleinkindern fünfmal am Tag Händewaschen

Eltern sagen jeden Tag: Aber nur noch eine Sendung, dann reichts

Eltern umarmen andere Eltern AUF DER STRASSE

Eltern haben Angst vor Impfungen

Eltern haben Angst vor Ansteckung

Eltern haben Existenzangst

Eltern wollen nicht einmalig 300 Euro Kindergeld

Eltern sind #coronaeltern und #elterninderkrise

Eltern sind auch mal alleine zu Hause

Eltern besuchen andere Eltern, um mal zu schlafen

Eltern treffen sich mit 5 Metern Abstand zur Kita-Leiterin, um den 1,5-Meter-Abstand zwischen den Kindern infrage zu stellen

Eltern beziehen die neuesten Nachrichten über WhatsApp, die Seite vom Landtag, die Stuttgarter Zeitung und über irgendwas24.de, um herauszufinden, ob ihre Kinder bald wieder in den Kindergarten dürfen

Eltern bringen ihre Kinder bald wieder in den Kindergarten oder auch nicht

Eltern haben Angst vor der Schulöffnung, weil dann das Leben wieder um 6 Uhr morgen losgeht und um 10 Uhr schon wieder das Mittagessen vorbereitet werden muss

Eltern haben immer mehr Termine und nehmen ihre Kinder einfach mit ins Büro, zur Besprechung im Café, zum Arzt

 

Ein Satz stimmt nicht.

Coronatagebuch Tag #64

Bisher drehten sich die Kinder um Garten, Wald, Spielzimmer, Badewanne.

Mittlerweile drehen sich die Kinder um Garten, Wald, Spielzimmer, Badewanne, Schuhgeschäft, Drogeriewarengeschäft, Bäckerladen, Bushaltestelle, Stadtbücherei, Museum, Fußgängerzone, Spielplatz, öffentliche Toiletten.

Und so sehr sie sich darüber freuen, so wenig bekommt ihnen dieser neue Radius.

Busse müssen immer pünktlich erreicht werden. Um das zu schaffen, müssen alle hektisch losrennen bzw. herumgescheucht werden. Garantie für schlechte Laune. Spielplätze bergen nicht wenig Enttäuschung: weil man wo noch nicht hochkommt, weil ein anderes Kind etwas wegnimmt, oder weil Mama schon gehen möchte, und führen daher zu Bockigkeit und Trotz. Stadtbücherei und Museum haben wir bereits hinter uns, wurden aber von den Eltern als zu anstrengend befunden.

Beim Bäcker waren wir in den letzten Wochen höchstens einmal alle paar Tage, um die nächste Familienration Brot abzuholen. Und ohne die Kinder mitzunehmen. Jetzt kommen wir wieder ständig an Bäckern vorbei: auf dem Weg zum Spielplatz und zum Bus und von der Stadtbücherei, immer hat jemand Hunger und überall gibt es Bäcker. Und immer darf man das, was da am Leckersten aussieht, nicht haben.

Und auf öffentliche Toiletten muss man ja auch nicht, weil man muss, sondern weil sie da sind.

Einmal gab es sogar Tränen: Weil im Schuhgeschäft eine Frau, die mit Mundschutz unheimlich aussah, sagte, dass man nicht mehr auf die Rutsche darf.

Und am Abend sagte die Vierjährige: „Ich vermisse den Kindergarten und die Kinder!“ Wahrscheinlich nur, weil sich der Alltag schon wieder so anfühlt wie die Tage, an denen noch Kita stattfand.

Heute ist Freitag. Am Montag soll die Betreuung eigentlich wieder starten. Aber es gibt kein Konzept dafür, und so startet erstmal nichts und alles läuft weiter wie gehabt.

Coronatagebuch Tag #42

 

Ich habe heute versucht, mit meiner Cousine zu telefonieren. Wir telefonieren eigentlich nie, aber jetzt interessieren wir uns dafür, wie der Alltag der anderen jeweils aussieht. Gleich morgens wollte ich anrufen. Aber erst musste ich das Frühstück abräumen. Dann haben die Kinder so schön gespielt. Das musste ich ausnutzen und schreiben. Dann kam das Mittagessen und danach war eine halbe Stunde Mittagstod Mittagsschlaf angesagt. Die Kinder weckten mich kreischend vor Aufregung, weil das Nachbarskind plötzlich da war. Die Kinder hatten ja einen Film versprochen bekommen. Also Frozen mal wieder. Die älteren Kinder spielten solange Indianer im Indianerzelt und mit Indianerwaffen. Ich schnappte dem jungen Filmpublikum bald den Laptop weg und versuchte wieder zu arbeiten, aber das ging schwer, weil mein Mann im Baumarkt war und die Kinder maulten. Also bekamen sie die zweite Hälfte des Films zu sehen und ich nahm mir den Garten vor. Eine halbe Stunde lang Wasser reinsprühen, wegen völliger Abwesenheit von Regen. Dann Brötchen in den Ofen stopfen, ein Kind, das sich für Königin Elsa hält, schonmal ins Bad zerren, und dann brachte mein Mann die Kinder ins Bett. Ich drehte noch eine Runde draußen, tippte die Nummer meiner Cousine dabei ins Handy, aber sie ging nicht ran. Ich brachte Nachbarin A. das Geld für die Gießkannen und lieh mir ein Tablet aus, für das Homeschooling.

Mein Kind (10) hat mittlerweile mehr Zoom-Sessions als ich. Und spielt viel besser Klavier als ich. Wie gut sie schon Klavier spielt, hört man auf diesem Video im Hintergrund (also… fast so gut)

#Coronaeltern

Ich habe vieles unter dem Hashtag #coronaeltern gesehen und gelesen. Die Bündelung aller Eltern-Interessen in der Coronazeit rund um Homeschooling und Kinderbetreuung mit Betonung auf „nicht nur die Wirtschaft, auch wir können nicht mehr“. Eine richtig gute Sache.

Ich muss ein bisschen weinen, als ich heute auf der Webseite unserer Schule das hier lese:

Es ist für Sie und Euch zuhause sicher eine große Aufgabe, die Materialien der Lehrerinnen und Lehrer zu sichten, zu ordnen und daran zu arbeiten. Uns ist sehr bewusst, dass Sie als Eltern nicht plötzlich Lehrerinnen und Lehrer sein können – das sollen Sie auch nicht! Es ist uns als Schule wichtig, dass Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler und Sie, liebe Eltern, mit uns in Kontakt bleiben! Wir versuchen alle in dieser ungewöhnlichen Situation unser Bestes zu geben und gehen nicht davon aus, dass die Arbeitsaufträge und Inhalte in der gleichen Qualität bearbeitet werden können wie im normalen schulischen Alltag. Das ist von Euch und für Sie, liebe Eltern, nicht zu leisten.

Quelle: Waldparkschule

Benotungslücken oder Versetzungsgefährdungsdiskussion sind bei uns obsolet. Denn es gibt weder Noten noch Sitzenbleiben. Beste Schule. ❤

Coronatagebuch Tag #39

Heute ist wieder Schule. Die Lehrer bedanken sich mit diesem Video für das, was die Schüler in den letzten Wochen alles geleistet haben.

Das Schulkind (10) hat kaum Zeit, dieses Video anzusehen. Eine dreiviertel Stunde vor Konferenz-Start sitzt es schon am Rechner, liest sich die Infos für die kommenden Wochen durch und macht sich dann bildschirmfein. Nach der Zoom-Konferenz wird sogleich ein Lego-Filmchen gedreht, eine Dropbox eröffnet und das Video hochgeladen. Nebenbei werden kurze Clips (genannt Inputs) gehört und Blätter ausgedruckt.

Abends nach 18 Uhr höre ich: „Mama, das Homeschooling macht gar keinen Spaß mehr.“

Wie auch, nach mindestens sechs Stunden Konferenz-, Kopier- und Stresslevel deluxe. So viel halte ich momentan selbst nicht aus.

A propos aushalten: Ich kriege heute nur Dinge erledigt, die einer sehr kurzen Planungsphase bedürfen und sofort umsetzbar sind. (Dazu zählen: Kräuter pflanzen. Erde verteilen. Alles gießen. Einmal zum Bäcker und zurück trödeln. Rasen mähen. Tomaten umsetzen. Nochmal alles gießen.)

Alles, was darüber hinausgeht, bringt mich ganz schrecklich auf. Das liegt nicht zuletzt und ganz sicher an dem herausfordernden Verhalten der Jüngsten heute. Nichts stimmt. Nichts passt. Alles tut weh, alle sind doof, alle haben sie gehauen. Auch der Besuch der Nachbarsfreundin bringt keine Abwechslung.

Und es liegt daran, dass mein Mann heute (genau wie das Schulkind) homeofficebedingt vor dem Bildschirm hängt. Konferenzen, Chats, Uploads, sowas.

Wir haben großes Glück

Die Krise hat uns als Familie wirklich nicht hart getroffen. Dabei bleibt es auch. Wir haben keine belastenden Jobs, müssen weder täglich raus zur Arbeit, noch haben wir harte Entscheidungen am Bildschirm zu treffen. Ich kann meine Arbeit in der Regel dann erledigen, wann es mir am besten passt. Ich kann meine Termine gut einplanen. Und es ist immer einer von uns beiden für die Kinder da, physisch zumindest.

Es könnte so viel schlimmer sein. Das Blog Große Köpfe aus Berlin trägt gerade die verschiedenen Eltern-Stimmen zusammen, die sich im Netz häufen. Unter dem Stichwort #coronaeltern werden angeklagt: Mehrfachbelastung, psychischer Stress, Vereinsamung, fehlende Lobby, die Lippenbekenntnisse der Politik gegenüber Eltern. Ganz zu schweigen von den Eltern, denen es schwerfällt, für sich und ihre Kinder zu kochen, für die es sonst die Tafel und die Arche gibt. Aber auch die fallen jetzt aus.

Der Baden-Württembergische Landeselternrat, von dem ich bislang noch nie gehört habe, fordert anhand der Unterschiede in den Elternhäusern eine Sommerschule. Es soll so etwas wie verkürzte Sommerferien sein, allerdings auf freiwilliger Basis. Für Schüler, die noch ein bisschen mehr machen wollen (oder sollen?).

Gottseidank ist unsere Landesregierung da mit mehr Verstand gesegnet und beschließt heute, dass in diesem Jahr kein Schüler sitzenbleiben darf. Geht doch.

Die größte Viren-Forschungsstation Asiens befindet sich in Wuhan

Wir wissen jetzt auch: Das Wuhan Institut für Virologie ist die größte Virusbank Asiens. Mehr als 1.500 verschiedene Erregerstämme sind dort vorhanden. Das Zentrum ist das erste Bioforschungslabor der höchsten Sicherheitsstufe in ganz Asien. In solchen Laboren dürfen hochansteckende Krankheitserreger der Klasse vier – etwa Ebola-Viren – aufbewahrt werden.

Zufall, sagt der Leiter des Instituts. Reiner Zufall, dass das größte Viren-Forschungsinstitut Asiens ausgerechnet in der Stadt liegt, in der der neue Erreger ausgebrochen ist. Wer einen Zusammenhang sieht, ist auf US-Propaganda hereingefallen. (Quelle: Deutschlandfunk.)