At home im Januar

Wenn man ins Büro kommt, macht man sich auf dem Weg dorthin so seine Gedanken.

Wie werde ich heute performen. Gibt es Widerstände. Will Frau Zankapfel auch heute wieder mit jedem Streit. Will Herr Missverständnis mich wieder um jeden Preis missverstehen. Will der Drucker wieder das Papier nicht hergeben, der Postbote den Eingang nicht finden und muss das Fenster wieder auf Kipp stehen, obwohl ich dann so friere. Oder wird es ein schöner Tag, mit Sonne, Kuchen, schnellem WLAN, neuen Aufgaben und lächelnden Kollegen?

Damit vieles von dem Guten und weniges von dem Schlechten eintritt, legt man sich so seine Strategien zurecht. Frau Zankapfel wird man einfach aus dem Weg gehen, um minimale Angriffsfläche zu bieten. Herrn Missverständnis wird man zum Mittagessen einladen, um ein paar Themen jenseits der Verständnisfallen aufgreifen zu können. Den Kuchen kann man selbst noch auf dem Weg vom Bäcker mitbringen. Man könnte vielleicht sogar Frau Zankapfel ein Stück Kuchen…

Wenn man ins Homeoffice kommt

Wenn man ins Homeoffice kommt, ist der Weg dorthin ebenso von Gedanken begleitet. Werde ich es schaffen, das schimpfende Kind zum Anziehen zu bewegen, bevor die Videokonferenz beginnt? Wer aus der Belegschaft wird heute einkaufen, Geschirrspülen und die Wäsche aufhängen? Ganz sicher gibt es auch heute wieder Missverständnisse und weitergeschobene Aufgaben.

Und ebenso sicher schnappen wir uns wieder gegenseitig die Bandbreite weg, weil das hier eigentlich gar kein Büro und keine Schule ist und die Ausstattung nur für private Zwecke ausreicht. Wer zuerst drin ist, bekommt das beste Bild. Die anderen müssen nehmen, was übrigbleibt. Kann ich mich in einer Konferenzpause einfach hinlegen oder ist das ein schlechtes Vorbild für die anwesenden Homeschooler? Dürfen die in ihren Pausen eigentlich einfach Lego spielen? Was ist eigentlich aus der guten alten Leibesertüchtigung zwischen den zahlreichen Bildschirmzeiten geworden, da gab es doch mal was von ALBA BERLIN?

Der hohe Anspruch an meine Zeit im Homeoffice – Zeit für mich, meine Arbeit, meine Geräte und mein WLAN – ist an die Realität angepasst worden. In der Realität gleicht das Homeofficehomeschooling-Ding einem Großraumbüro mit angrenzendem Restaurantbetrieb mit integriertem Waschsalon und einem Kegelclub mit offenstehender Tür. Natürlich kommen die Kinder und wollen Ausmalbilder, wenn man gerade nicht abgelenkt werden will. Aber die Kollegen kommen ja auch immer dann, wenn es gerade nicht passt. Natürlich gibt es Fragen der Zuständigkeit bei der Sauberkeit und Versorgung, aber es fehlen ja auch Kaffeemaschine, Hausmeister und Putzfrau. Dafür kann ich mich nach dem Frühstück aufs Sofa setzen, einfach so. Oder die Mittagspause ausdehnen, ohne dass es jemanden interessiert. Natürlich häufen sich Fragen wie „Wo ist das Ladekabel“, „Ich brauch jetzt den Laptop mit Word drauf“ und „Ich weiß nicht wie das geht und ich will es auch nicht wissen“. Im Großen und Ganzen ist jede Anfrage der Belegschaft innerhalb von Minuten geklärt. Im Gegensatz zu so mancher Endlosschleife, die eine Frage im Büro produzieren kann.

Nach einer Woche Homeofficehomeschooling ist jedenfalls eine klar: Ich mag meine neuen Mitarbeiter. Sie wollen ab und zu etwas haben, aber sie haben keine unerfüllbaren Wünsche wie „jetzt rausgehen“ oder „anderes Spielzeug“ oder „unbedingt Leute treffen“. Im Gegenzug honorieren sie es, wenn wir sie nicht mit unpassenden Aufforderungen wie „geht jetzt eine Stunde an die frische Luft“ oder „putzt jetzt das Bad, während wir hier am Bildschirm hängen“ in ihrem Flow stören. Und damit es noch stärker flowt, gibt es jeden Tag Leibspeisen, Livestreams und andere Lustbarkeiten. Die Belegschaft muss ja mitziehen, damit sie nicht innerlich emigriert.

Jetzt ist Freitag. Feierabend. Die Kollegen wollen noch einen draufmachen. Das ist auch ok, denn wir müssen wir am Morgen nicht mehr so früh aufstehen. Das können sie gut, denn sie sind immer witzig, schlagfertig und für allen Scheiß zu haben. Ich werde sie vermissen, wenn die Schule wieder anfängt.

Coronatagebuch Tag #54

Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

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Diese Frage stellte Bloggerkollegin Frau Brüllen vor ungefähr 27 Millionen Jahren. Also noch vor Corona. Die Frage soll immer am 5. eines Monats inklusive Hashtag #wmdedgt in einem Blogeintrag beantwortet werden.

Mittlerweile ist es so, dass sich nicht nur eine Handvoll Realos diese Frage stellen, die es begrüßen, dass ihr Alltag langweilig ist (äh – so wie ich). Nein, gerade stellen sich alle Menschen die Frage, was mache ich hier eigentlich die ganze Zeit. Und das auch noch 24/7 und in Echtzeit.

Dabei entstehen recht absurde Ideen. Wie z.B. die, dass es kein Virus gäbe, wir umsonst eingesperrt würden, weil uns jemand (ein Computererfinder und Gesundheitsmogul etwa) gefügig machen wollte. Weil das für sich genommen noch ziemlich langweilig ist, so über seine Lage herumzuphilosophieren, kann man jetzt auch jenseits der einschlägigen Onlineforen aktiv werden. Auf verbotene Demos gehen. Parteimitglied werden (in einer Gruppierung, die die Regierung absetzen will). Oder in den bewaffneten Untergrund gehen, wie es der Koch mit Kochshow unlängst verkündete.

5. Mai 2020

Der Tag beginnt wie jeder Homeschooling-Tag. Vater und Tochter stehen zwischen halb 8 und halb 9 auf. Beide haben letzte Woche neue Geräte bekommen. Ein neuer Laptop im Haus Landfamilie war überfällig. Und die Tochter hat ein Schul-iPad geliehen.

Seither habe ich meinen Laptop wieder für mich. Könnte eigentlich 24/7 arbeiten. Geht aber heute schlecht. Ging auch gestern schlecht. Wird auch morgen nur solala gehen. Die Schule in diesem Haus geht vor.

Die beiden Kindergartenkinder des Hauses bemerken es sofort, wenn sie nicht im Fokus stehen. Sie werfen sich auf den Boden; wenn man sie anspricht, antworten sie nicht, sondern beschweren sich über alles Mögliche. Spielzeug wird durchs ganze Haus geschleppt und natürlich wird nur in höchster Lautstärke gespielt.

10:25 Uhr. Ich habe mich ins Heimbüro geschlichen. Erstmal Brief ans Finanzamt tippen und diverse Geräte-Reparatur-Services anrufen und Zeug reklamieren. Ich plane einen Ausflug zur Stadtbücherei, mit Umweg über Handy- und Laptopreparaturservice. Ich lese E-Mails und korrigiere einen Text. Die Kinder wollen, dass ich ihre Puppe frisiere. Sie streifen sich alle Haargummis, die sie finden können, über die Handgelenke. Sieht nach einem neuen Trend aus. Mangels Festivalarmbänder diesen Sommer.

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Dann stelle ich Albas tägliche Sportstunde an. Die Kinder sind nicht so begeistert, machen aber brav mit.

12:15. Abzüglich wievieler Minuten? habe ich heute eine Stunde gearbeitet, beschließe ich. Schreibe ich auf. Das alles funktioniert nur, weil glücklicherweise Deadlines und Termine verschoben wurden. Weil ich eh in Projekten arbeite, bei denen es unterm Strich meine Sache ist, wie lange ich brauche. Und weil das Arbeitsamt länger zahlt. Und weil es trotz allem immer noch Jobs gibt, mit denen ich vom ALG wegzukommen gedenke.

13:00 Es gibt Mittagessen. Danach muss der Lehrer sofort wieder in sein Büro. Die Kinder üben Zaubertricks: „Mama, mach mal die Augen zu…!“

Zwischen 14 und 15 Uhr ist das Schulkind normalerweise fertig. So auch heute. Wir haben unseren „Kreis“ um eine neue Familie alte Freunde erweitert. Seither treffen sich die Kinder jeden Tag. Helm auf, Mundschutz auf, schon ist die Tochter auf dem Weg zur Haltestelle.

15:00 Der Mann hat eine Videokonferenz. Wir hauen lieber ab. Wir bringen Bücher zur Stadtbücherei, essen ein Eis und kaufen dem Sohn einen Fahrradhelm. Er trägt ausschließlich gebrauchte Sachen. Auch sein Fahrrad ist mehrfach gebraucht. Was ganz Neues an ihm zu sehen, kommt einer Premiere gleich. Ich habe extra viel Geld auf dem Konto, weil ich die letzten zwei Monate so gut wie nichts gekauft habe. Auf eine sehr große Wirtschaftskrise würde ich jedenfalls nicht wetten.

Funfact: Seit Mundschutz in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr Pflicht ist, tragen viel weniger Menschen das Stück Stoff freiwillig auf der Straße oder beim Fahrradfahren. Überhaupt finde ich, es fühlt sich gar nicht mehr nach Corona an. Die Sonne scheint immer noch hell, aber nicht mehr apokalyptisch. Es gibt auch Zwischentöne. Zum Beispiel haben alle Geschäfte auf, nur die Cafés sind verrammelt. Das Stadtleben fühlt sich dadurch mehr nach Landleben an. Man geht halt nur zum Einkaufen raus, lungert nicht an einem place to be mit free wifi auf Palettenholzmöbeln herum. Keiner bleibt sitzen, stehen, liegen, keine Gruppen quatschen, rauchen, lachen. Stattdessen stehen Leute in Schlangen vor dem ein oder anderen Geschäft. Insgesamt wirken alle sehr bodenständig.

Das Eis schmeckt nicht. Eigentlich meine Lieblingssorte. Aber was man mit Mundschutz auf den Lippen auswählt, schmeckt auch danach nach Papier. Für euch getestet.

Nach dem Eis geht es in die Stadtbücherei. Wer einen Mundschutz aufhat und eine Büchereikarte dabei, darf sich erst an einem Spender desinfizieren und dann immer den Pfeilen folgen. Über Umwege betritt man den Buchbereich, aber nicht ohne pro Person einen Streifen Papier zu bekomen, den man die ganze Zeit in der Hand hält und am Ausgang zurück in einen Korb wirft. Es fühlt sich ein bisschen an wie Schnitzeljagd.

Oh Mann, die halbe Welt hat einen hübscheren Mundschutz als ich. Frust!!! Besser bleibe ich ab jetzt zu Hause. Also bis der urbandoo (ist immer noch keine Werbung) da ist. Seufz. Die Kinder haben Yakari, Lucky Luke und Wormworld ausgesucht. Ich nehme Marianengraben mit. Auch wenn mir gar nicht nach etwas Traurigem ist.

18:00 Mann, der Junge sieht mit dem gelben Helm toll aus. Wahrscheinlich bin ich verblendet. Schließlich ist er mein Sohn und er sähe in jedem gutsitzenden Helm toll aus. Ich fahre den ganzen Heimweg hinter dem gelben Helm her und denke zum ersten Mal, dass er jetzt emdgültig groß ist und eigentlich nicht noch größer werden muss. Was Eltern eben so denken.

Abends gibt es Brot mit wahlweise Knoblauchraukensoße, Tomatenmark oder Käse. Ein bisschen wird aufgeräumt. Gelesen und gebloggt. Ich freue mich sehr auf morgen. Unsere Nachbarin hat angerufen und Kindertausch angeboten. Wir haben dann drei Kindergartenkinder von 9-12 bei ihr und von 12-15 Uhr bei uns. Das hat sich bewährt. Dann kann ich morgen vielleicht eine Bewerbung schreiben. Mal sehen.

Coronatagebuch Tag #45

Ich wünsche mir, diese Zeit einfach abkürzen zu können. Indem ich einfach Winterschlaf mache z.B. Nur das geht schlecht, wenn man täglich frühmorgens von zwei knallegutgelaunten Kindern geweckt wird. Und mit diesem strahlenden Sonnenschein geht es schon gleich gar nicht. Sonne bis in den letzten Winkel. Alles muss ausgeleuchtet werden. Nichts darf verborgen bleiben.

Eigentlich möchte ich diese Zeit auskosten. Wann werde ich jemals wieder wochenlang gemütlich bis 8 oder 9 liegenbleiben können? Wann wird es jemals wieder eine Zeit geben, in der das Auto einfach stehenbleibt? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal getankt habe. Logischerweise ist Tanken gerade so billig wie in den letzten 10 Jahren nicht mehr.

Tankfüllungen hamstern? Mit Airbnb-Aktien spekulieren?

Macht ihr nur. Ich habe heute auch eine Menge gemacht. Eine Hütte im Wald gebaut. Kartoffeln ins Beet gesetzt. Eine kleine Radtour unternommen. Essen gekocht. Bücher vorgelesen und versucht selbst zu lesen. Zoom auf einem Tablet eingerichtet.

Wenn diese Zeit zu Ende ist, würde ich gerne mitnehmen:

  • Weniger Kindergarten, mehr Kinderclub bei Nachbars
  • Schule öffnet um 9
  • Rücksicht und gebührender Abstand zwischen Fremden
  • Recht auf Homeoffice
  • Recht auf Homeschooling
  • regelmäßig genügend Zeit für Blumen, Bäche, Äste, Lehmvorräte und Kaulquappen
  • Mehr lokal einkaufen und Ausflüge in die nahe Umgebung, ohne zu befürchten, dabei „Trends“ zu verpassen

Coronatagebuch Tag #42

 

Ich habe heute versucht, mit meiner Cousine zu telefonieren. Wir telefonieren eigentlich nie, aber jetzt interessieren wir uns dafür, wie der Alltag der anderen jeweils aussieht. Gleich morgens wollte ich anrufen. Aber erst musste ich das Frühstück abräumen. Dann haben die Kinder so schön gespielt. Das musste ich ausnutzen und schreiben. Dann kam das Mittagessen und danach war eine halbe Stunde Mittagstod Mittagsschlaf angesagt. Die Kinder weckten mich kreischend vor Aufregung, weil das Nachbarskind plötzlich da war. Die Kinder hatten ja einen Film versprochen bekommen. Also Frozen mal wieder. Die älteren Kinder spielten solange Indianer im Indianerzelt und mit Indianerwaffen. Ich schnappte dem jungen Filmpublikum bald den Laptop weg und versuchte wieder zu arbeiten, aber das ging schwer, weil mein Mann im Baumarkt war und die Kinder maulten. Also bekamen sie die zweite Hälfte des Films zu sehen und ich nahm mir den Garten vor. Eine halbe Stunde lang Wasser reinsprühen, wegen völliger Abwesenheit von Regen. Dann Brötchen in den Ofen stopfen, ein Kind, das sich für Königin Elsa hält, schonmal ins Bad zerren, und dann brachte mein Mann die Kinder ins Bett. Ich drehte noch eine Runde draußen, tippte die Nummer meiner Cousine dabei ins Handy, aber sie ging nicht ran. Ich brachte Nachbarin A. das Geld für die Gießkannen und lieh mir ein Tablet aus, für das Homeschooling.

Mein Kind (10) hat mittlerweile mehr Zoom-Sessions als ich. Und spielt viel besser Klavier als ich. Wie gut sie schon Klavier spielt, hört man auf diesem Video im Hintergrund (also… fast so gut)

#Coronaeltern

Ich habe vieles unter dem Hashtag #coronaeltern gesehen und gelesen. Die Bündelung aller Eltern-Interessen in der Coronazeit rund um Homeschooling und Kinderbetreuung mit Betonung auf „nicht nur die Wirtschaft, auch wir können nicht mehr“. Eine richtig gute Sache.

Ich muss ein bisschen weinen, als ich heute auf der Webseite unserer Schule das hier lese:

Es ist für Sie und Euch zuhause sicher eine große Aufgabe, die Materialien der Lehrerinnen und Lehrer zu sichten, zu ordnen und daran zu arbeiten. Uns ist sehr bewusst, dass Sie als Eltern nicht plötzlich Lehrerinnen und Lehrer sein können – das sollen Sie auch nicht! Es ist uns als Schule wichtig, dass Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler und Sie, liebe Eltern, mit uns in Kontakt bleiben! Wir versuchen alle in dieser ungewöhnlichen Situation unser Bestes zu geben und gehen nicht davon aus, dass die Arbeitsaufträge und Inhalte in der gleichen Qualität bearbeitet werden können wie im normalen schulischen Alltag. Das ist von Euch und für Sie, liebe Eltern, nicht zu leisten.

Quelle: Waldparkschule

Benotungslücken oder Versetzungsgefährdungsdiskussion sind bei uns obsolet. Denn es gibt weder Noten noch Sitzenbleiben. Beste Schule. ❤

Coronatagebuch Tag #39

Heute ist wieder Schule. Die Lehrer bedanken sich mit diesem Video für das, was die Schüler in den letzten Wochen alles geleistet haben.

Das Schulkind (10) hat kaum Zeit, dieses Video anzusehen. Eine dreiviertel Stunde vor Konferenz-Start sitzt es schon am Rechner, liest sich die Infos für die kommenden Wochen durch und macht sich dann bildschirmfein. Nach der Zoom-Konferenz wird sogleich ein Lego-Filmchen gedreht, eine Dropbox eröffnet und das Video hochgeladen. Nebenbei werden kurze Clips (genannt Inputs) gehört und Blätter ausgedruckt.

Abends nach 18 Uhr höre ich: „Mama, das Homeschooling macht gar keinen Spaß mehr.“

Wie auch, nach mindestens sechs Stunden Konferenz-, Kopier- und Stresslevel deluxe. So viel halte ich momentan selbst nicht aus.

A propos aushalten: Ich kriege heute nur Dinge erledigt, die einer sehr kurzen Planungsphase bedürfen und sofort umsetzbar sind. (Dazu zählen: Kräuter pflanzen. Erde verteilen. Alles gießen. Einmal zum Bäcker und zurück trödeln. Rasen mähen. Tomaten umsetzen. Nochmal alles gießen.)

Alles, was darüber hinausgeht, bringt mich ganz schrecklich auf. Das liegt nicht zuletzt und ganz sicher an dem herausfordernden Verhalten der Jüngsten heute. Nichts stimmt. Nichts passt. Alles tut weh, alle sind doof, alle haben sie gehauen. Auch der Besuch der Nachbarsfreundin bringt keine Abwechslung.

Und es liegt daran, dass mein Mann heute (genau wie das Schulkind) homeofficebedingt vor dem Bildschirm hängt. Konferenzen, Chats, Uploads, sowas.

Wir haben großes Glück

Die Krise hat uns als Familie wirklich nicht hart getroffen. Dabei bleibt es auch. Wir haben keine belastenden Jobs, müssen weder täglich raus zur Arbeit, noch haben wir harte Entscheidungen am Bildschirm zu treffen. Ich kann meine Arbeit in der Regel dann erledigen, wann es mir am besten passt. Ich kann meine Termine gut einplanen. Und es ist immer einer von uns beiden für die Kinder da, physisch zumindest.

Es könnte so viel schlimmer sein. Das Blog Große Köpfe aus Berlin trägt gerade die verschiedenen Eltern-Stimmen zusammen, die sich im Netz häufen. Unter dem Stichwort #coronaeltern werden angeklagt: Mehrfachbelastung, psychischer Stress, Vereinsamung, fehlende Lobby, die Lippenbekenntnisse der Politik gegenüber Eltern. Ganz zu schweigen von den Eltern, denen es schwerfällt, für sich und ihre Kinder zu kochen, für die es sonst die Tafel und die Arche gibt. Aber auch die fallen jetzt aus.

Der Baden-Württembergische Landeselternrat, von dem ich bislang noch nie gehört habe, fordert anhand der Unterschiede in den Elternhäusern eine Sommerschule. Es soll so etwas wie verkürzte Sommerferien sein, allerdings auf freiwilliger Basis. Für Schüler, die noch ein bisschen mehr machen wollen (oder sollen?).

Gottseidank ist unsere Landesregierung da mit mehr Verstand gesegnet und beschließt heute, dass in diesem Jahr kein Schüler sitzenbleiben darf. Geht doch.

Die größte Viren-Forschungsstation Asiens befindet sich in Wuhan

Wir wissen jetzt auch: Das Wuhan Institut für Virologie ist die größte Virusbank Asiens. Mehr als 1.500 verschiedene Erregerstämme sind dort vorhanden. Das Zentrum ist das erste Bioforschungslabor der höchsten Sicherheitsstufe in ganz Asien. In solchen Laboren dürfen hochansteckende Krankheitserreger der Klasse vier – etwa Ebola-Viren – aufbewahrt werden.

Zufall, sagt der Leiter des Instituts. Reiner Zufall, dass das größte Viren-Forschungsinstitut Asiens ausgerechnet in der Stadt liegt, in der der neue Erreger ausgebrochen ist. Wer einen Zusammenhang sieht, ist auf US-Propaganda hereingefallen. (Quelle: Deutschlandfunk.)

Coronatagebuch Tag #22

Freitag. Der Tag, der immer mit mahnender Stimme sagt: Guck mal, was du diese Woche wieder alles nicht geschafft hast.

Die zurückligende Woche, insgesamt die dritte mit Homeschooling, ging rückblickend so schnell vorbei wie keine Woche zuvor. Jeder Tag fließt in den nächsten. Heute wäre schon der letzte Schultag vor den Osterferien gewesen.

Ich packe ein Paket für eine Freundin. Sie hat kleinere Kinder, und ab und zu schicke ich ihr die Klamotten und das Spielzeug, die hier ausgemustert wurden. Das Paket ist ziemlich groß geworden. Ich schicke die Anmeldung für die Mittagsbetreuung ab dem kommenden September los. Ich schreibe sogar ans Arbeitsamt. Ich überweise Rechnungen und freue mich, dass mein Konto so gut gedeckt ist (die Kindergartengebühren von insgesamt 500 Euro werden im April nicht abgebucht).

Ich schreibe einen Artikel zu Ende und verschicke ihn zum Gegenlesen. Ich skype mit einer Professorin, die in Miami festsitzt, um Input für meinen nächsten Artikel zu erhalten. Auch mein Mann scheint eine Menge Anrufe, Videokonferenzen und Tutorials zu haben, ich blicke gar nicht mehr durch.

Ich überprüfe zum ersten Mal, wie weit die Tochter in den letzten 3 Wochen mit ihrem Schulstoff gekommen ist. Fertig ist sie nicht. Die Zoom-Konferenzen, die die Lehrerin für Freiwillige angeboten hat, hat sie ebenfalls irgendwie nicht mitbekommen. Aber sie hat jeden Tag etwas gemacht, Neues gelernt, Altes wiederholt, sie hat die „Vorstadtkrokodile“ zwei Mal gelesen, zwei Mal mit YouTube Sport gemacht und zwei Mal Villager gespawnt (Letzteres ist kein Schulstoff, scheint aber mindestens so viele Abgründe zu bergen wie die Potenzrechnung). Außerdem hat sie täglich viele Stunden lang Kindergartenkinder beschäftigt (die eigenen Geschwister und bis zu drei zusätzliche Nachbarskinder) und hingenommen, dass der Klavierunterricht nur noch per WhatsApp zu ihr kommt.

Heute flitzt ein Nachbarskind in unserer Wohnung herum, das bei uns ist, solange die Eltern arbeiten. Die Freunde (4, 5 und 5 Jahre) spielen mit vielen Meinungsverschiedenheiten und Besserwissereien, aber ohne Streit und Tränen miteinander. Sie essen alle ordentlich zu Mittag und kochen auch was für mich in der Kinderküche. Zusammen denken wir uns neue Freunde für das NEINhorn aus. Der Renner ist der NASCHbär.

Heute sind es 91.159 Infizierte in Deutschland, 24.575 sind wieder gesund und 1275 sind gestorben.

Coronatagebuch Tag #8

Alle werden endgültig digital.

  • Eine Bekannte lanciert die Online-Plattform Ideen gegen Corona, die Anstöße für mehr Infektionsschutz im Alltag sammelt.
  • Die Lehrerin der 5. Klasse schreibt eine Rundmail, künftige Aufgaben würden über die Plattform learningview verteilt. Die Anmeldung schlägt aber fehl, weil der Server von learningview überlastet ist.
  • Der Hackathon der Bundesregierung WeVsVirus startet heute. Hier melden sich Leute aus ganz Deutschland an, um digital zusammen an Lösungen rund um das Virus zu arbeiten. Probleme wie die Ansteckungsgefahr, der Lockdown und alle sozialen und wirtschaftlichen Begleiterscheinungen werden im Einzelnen diskutiert und „kreativ“ gelöst.
  • Gerade melde ich mich über ein Doodle zu einem Gratis-Workshop an, bei der man in die drei Konferenz-Programme Teams, Zoom und GoTo Meeting eingeführt wird. Da stürmt meine Tochter ins Zimmer, die sich die letzten Stunden vorbildlich mit Schulstoff beschäftigt hat und ruft: „Ich will ganz viel übers Internet teilen! Lerntipps, Sportvideos, und ich will sehen, was die anderen Kinder so machen!“ Ich schlage aus dem Ärmel ein paar Möglichkeiten vor, da meint sie, sie will doch lieber erstmal ihren Freund anrufen und ist schon wieder aus dem Zimmer.
  • Der berühmteste Autor Deutschlands Saša Stanišić hat eine Lesung über Twitch gestreamt und dabei knapp 17.000€ für die Hilfsorganisation Seebrücke gesammelt. Wer ihn bislang noch nicht kannte und liebte, der kennt und liebt ihn jetzt.
  • Die Fridays for Future-Organisatorinnen halten, anstatt freitags auf den Straßen zu demonstrieren, ein live gestreamtes Meeting via Zoom über Ländergrenzen hinweg.

Erstes Ausgehverbot

Auch die Bayerische Landesregierung hält ihre Pressekonferenz live im Internet. Die Pulte sind schön in 1,5m-Abstand platziert, alle gucken starr, aber professionell nach vorne. Fragen von Journalisten, zuvor eingereicht, werden kurz vorgelesen und umgehend beantwortet.

Nach Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und Österreich verkündet nun auch Bayern die Ausgangssperre. Rausgehen ist nur noch gestattet, wenn man einkaufen möchte, zur Arbeit oder zum Arzt muss. Damit kann man sich nicht mehr in der Öffentlichkeit aufhalten, auch Privatbesuche sind untersagt.

Nein

Auch wenn bei uns zu Hause äußerlich der Ferienmodus läuft, innerlich zieht sich immer wieder alles zusammen. Muss man so drastische Maßnahmen ergreifen, wie selbst Juli Zeh sie nicht hätte erdichten wollen, klingen sie doch selbst für eine Fiktion arg übertrieben?

Ist es nicht so, dass der Mensch nun mal nicht jedes Szenario bis in jeden möglichen Wahrscheinlichkeits-Engpass hinein durchplanen kann? Ist es nicht so, dass wir letzten Endes zwar wissen, dass wir sterben müssen, aber nicht wissen, wann und aus welchem Grund? Gerade wenn es um einen unsichtbaren Gegenspieler ohne Kalkül geht wie ein Virus? Und was ist mit dem Klimawandel, der von der Politik gerade aufgrund seiner hohen Komplexität – unaufhaltsame Ausbreitung bei fehlendem Kalkül – weitgehend ignoriert wird? (Ja, Menschen nehmen Schaden, aber da können man nun mal leider wenig machen, die Wirtschaft darf auf keinen Fall darunter leiden.) Fordert er nicht weltweit bereits sehr viel mehr Tote oder Geschädigte als das Virus? Sterben nicht auch Kinder im Krieg, bei Waldbränden und auf der Flucht, während das Virus hauptsächlich die Alten und ganz Alten trifft? Warum werden nicht diese Schrecken – Kriege, Waldbrände, Fluchtursachen – mit allen Mitteln verhindert? Weshalb hat man auf die Grippewellen 1918, 1957, 1968 nicht so drastisch reagiert, da starben doch auch sehr viele Menschen?

Und was ist mit den eingesperrten Flüchtlingen in Griechenland?

„Baden-Württemberg verbietet Versammlungen über 3 Personen.“

Als mich diese Nachricht auf dem Handy erreicht, krieche ich gerade im Dreck herum. Wir buddeln gemeinsam mit unserem Garten-Freund Wegplatten und Baumstümpfe aus und stecken einen neuen Weg ab. Die Nachbarn A. und F. tauchen auf. Sie nehmen unsere Kinder für eine Stunde mit zu einem Brunnen im Wald, wo sie in noch mehr Dreck herummatschen können.

Heute sind es 19.711 Infizierte in Deutschland, 180 sind wieder gesund, 53 sind gestorben.